Bottrop. Viele Leute haben sich in der Corona-Zeit ein Haustier zugelegt. Das spüren die Tierarztpraxen. Die Folge: Stress, kaum Termine, viel Beratung.

Der Arbeitsalltag in einer Tierarztpraxis ist nicht immer vergnügungssteuerpflichtig. Und Corona hat diesen Umstand nicht verbessert. „Der größte psychische Stress ist, dass die Tiere an unerfahrene Leute geraten“, berichtet Dr. Christiane Lehmann-Drache aus ihrer Erfahrung. Immer mehr Leute haben sich in der Pandemie ein Haustier zugelegt. Die Ärztin und ihr Personal erleben den Boom an Hunden und Katzen in der Kleintierpraxis hautnah – mitsamt den Folgen.

Wegen der Schweigepflicht will die Ärztin nicht ins Detail gehen. Nur so viel lässt sie durchblicken: Wer einen Termin möchte, muss Geduld und Wartezeit mitbringen. Und oft kommt bei neuen Haltern zum vereinbarten Termin in der Sprechstunde noch mal die gleiche Zeit an Beratung obendrauf. Da geht es um Themen wie Fütterung, Ernährung, Auslauf und Haltung. „Es gibt Hunde, die nicht sozialisiert sind.“ Die monatelange Schließung der Hundeschulen hat aus ihrer Sicht die Situation noch verschlechtert. Sie findet deshalb: „Die Leute sollten sich vor der Anschaffung eines Tieres mehr informieren und sich Gedanken machen.“

Bottroper Tierärzte warnen vor illegalem Tierhandel

Dazu liefert sie Beispiele, die zum Nachdenken anregen sollten. „Ich möchte nicht wissen, was passiert, wenn wieder gereist wird. Wer kümmert sich dann um das Tier?“, sagt Dr. Lehmann-Drache. Schon vor der Pandemie habe es zu wenig Tierpensionen gegeben. Das nächste mögliche Problem könnte ab dem 20. März auf Tierhalter zukommen. Dann entfällt die Homeoffice-Pflicht. „Nicht jeder kann seinen Hund mit ins Büro nehmen“, sagt die Tierärztin. Möglicherweise seien die Tiere es gar nicht gewohnt, stundenlang alleine zu Hause zu sein.

Ein Problem findet zudem auf der Straße statt. Als „furchtbar“ bezeichnet sie den Anstieg an illegalem Tierhandel. Das Geschäft boomt wegen der großen Nachfrage. Herrchen und Frauchen versuchen preisgünstig an Tiere aus dem Ausland zu kommen. Hunden, Katzen und Co. werden teils an der Autobahn verkauft. „Bloß nicht diese Leute unterstützen, das ist kriminell“, sagt die Ärztin. Die vermeintliche Kostenersparnis kann anschließend zum Boomerang werden. „Krankheiten sind vorprogrammiert“, sagt sie. Die Tiere seien sehr häufig nicht entwurmt und nicht geimpft.

Spontane Praxisbesuche sind nur im Notfall möglich

Auch Dr. Christian Bartnik spürt den Tierboom bei Katzen und Hunden. „Wir haben mehr Zulauf“, sagt er. Seit 20 Jahren kümmert sich der Arzt in und um Kirchhellen um Kleintiere. Erst in einem Bus bei Hausbesuchen, seit 2015 in der Praxis an der Hauptstraße. Die Pandemie hat im Alltag sichtbare Spuren hinterlassen. Spontane Besuche wie vor Corona sind nicht mehr möglich. Ein Termin ist Voraussetzung. Selbst im Notfall empfiehlt der Arzt vorher kurz bei ihm anzurufen. Außerdem darf bei ihm nur der Halter mitsamt Tier in die Praxis.

Ein treuer Begleiter in der Pandemie sind die gefühlt wöchentlich wechselnden Hygienevorgaben. „Man muss up to date bleiben“, sagt er. Wie seine Kollegin aus Bottrop verurteilt er den illegalen Tierhandel. „So etwas sollte dringend unterbunden werden.“ Sein Rat: Wer ein Haustier haben möchte, soll den Kontakt zu gewissenhaften Züchtern, renommierten Tierschutzorganisationen suchen oder im Bottroper Tierheim nachfragen. „Man muss sich gut über die Herkunft informieren“, sagt Dr. Christian Bartnik.

Ein Besuch beim Tierarzt kostet Geld

Eine Sache, über die sich Halter in Zeiten des Tierbooms womöglich ebenfalls nur wenig Gedanken gemacht haben, gibt der Arzt zu bedenken – der finanzielle Aspekt. „Ein Tier ist ein Privatpatient“, sagt er. Prophylaxe, Vorsorge, Entwurmung und Impfung kosten Geld. Dazu kommt „ein Notgroschen“, wie er es nennt, für den Fall, dass etwas Akutes passiert.

Trotz zwei Jahren in der Pandemie bereitet ihm der Job weiterhin viel Freude. „Ich versuche, meinen Stresslevel zu minimieren, indem ich eine begrenzte Anzahl an Untersuchungen pro Tag mache.“ Er nimmt sich die nötige Zeit für seine Patienten. Demzufolge kann auch bei ihm die Sprechstunde länger dauern.

Lieferengpässe in der Pandemie

Die Corona-Pandemie hat sich auch bei den Medikamenten in den Tierarztpraxen bemerkbar gemacht. Es kam manchmal zu Lieferengpässen wie Dr. Christian Bartnik und Dr. Christiane Lehmann-Drache berichten. Über die Gründe kann der Arzt nur spekulieren: „Ich kann mir vorstellen, dass es mit der Bereitstellung der Rohstoffe zu tun hatte.“

Eine Sache liegt der Ärztin am Herzen: „Tierbesitzer, die sich ein Haustier anschaffen, sollten sich vorher damit auseinandersetzen, ob ihr zukünftiges Tier keiner Qualzucht angehört und somit auch keine gesundheitlichen Einschränkungen erleidet.“

Bei der Qualzucht greift der Mensch bewusst in die natürliche Fortpflanzung der Tiere ein. Optische Merkmale werden bei bestimmten Rassen selektiert.