Bottrop. Eine neue EU-Verordnung hat Tattoofarben verboten. Schwarz und weiß sind erlaubt. Die Branche kämpft nach Corona mit der nächsten Existenzkrise.
Die Arbeitswelt von Ronny Raida ist seit Dienstag nur noch schwarz und weiß. Ab dem 4. Januar hat die Europäische Union bunte Tätowierfarben verboten. Die sogenannte „Reach-Verordnung“ ist erlassen worden, um den Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt vor den Risiken, die durch Chemikalien entstehen können, zu verbessern.
Nach Ansicht der Europäischen Chemikalienagentur können Farbpigmente über die Haut in verschiedene Organe wie Lymphknoten und Leber gelangen. Heißt nach dem Verständnis der Agentur: Die Farben, die seit Jahren in professionellen Tattoostudios verwendet werden, sollen gesundheitsgefährdend sein und giftige Substanzen enthalten. Raida ist 45, übt den Beruf des Tätowierers seit 26 Jahren aus und hat seit 2013 sein Geschäft „Zeitgeist“ an der Gladbecker Straße. Früher durften er und seine Angestellten die gesamte Farbpalette benutzen. „Jetzt nur schwarz und weiß.“ Eine gesamte Branche kämpft um ihre Existenz. Wer gegen die Verordnung verstößt, muss mit hohen Strafen rechnen.
„Wir haben zwei Corona-Jahre auf dem Buckel und jetzt kommt der nächste Hammer“, ärgert sich Raida. Die Folge: wieder finanzielle Einbußen. „Dabei hinken wir doch noch immer hinterher.“ Die Soforthilfen der Corona-Zeit müssen bis Oktober dieses Jahres zurückgezahlt werden. Außerdem gelten in Tattoostudios die 2G-Regel. Manche Kunden wollen sich deshalb aktuell nicht unbedingt tätowieren lassen oder haben eine Tätowierung auf ihrer Prioritätenliste nach hinten geschoben. Urlaub und Gesundheit sind wichtiger.
Tätowierer muss bis zu 60 Farbflaschen wegwerfen
Was Raida besonders ärgert: Bisher durfte er speziell zugelassene Farben benutzen, die laut der deutschen Tätowiermittel-Verordnung von 2009 „sehr streng reglementiert“ sind. Alles war in bester Ordnung. Nun gilt die EU-Verordnung. „Wir müssen die Farben wegschmeißen“, sagt er. Die Rede ist von 50 bis 60 Flaschen in unterschiedlichen Größen. Darunter befinden sich nicht nur angebrochene, sondern auch ungeöffnete, neue Farbflaschen. Finanziell entschädigt wird er dafür nicht. Auf den Kosten von ein paar Tausend Euro bleibt er sitzen.
Um im Bild zu bleiben, für sich und seine Branche sieht die Zukunft schwarz aus. „Das Überleben wird sehr, sehr schwierig. Ich glaube, dass der eine oder andere Kollege aufhören wird, was ich wirklich niemandem wünsche.“ Hinsichtlich der Pandemie und EU-Verordnung betont er: „Und das alles unverschuldet.“
Schwarze, weiße, graue Tattoos werden im Studio gestochen
Wann neue Tattoofarben auf dem Markt kommen werden, kann ihm keiner sagen. „Wir sitzen hier mit einem großen Fragezeichen“, sagt Ronny Raida. Und selbst, wenn es neue Farben geben sollte, bleiben vonseiten der Kunden und Studioinhaber viele offene Fragen: „Gibt es eine Langzeiterfahrung mit den Farben? Wie entwickeln sich die Farben in der Haut?“, nennt der 45-Jährige nur zwei Beispiele. „Das wissen wir alles nicht.“
In der Zwischenzeit werden bei ihm im Studio nicht Däumchen gedreht. Schwarz-weiß-graue Tattoos sind weiterhin möglich. Bunte Motive werden vorbereitet, sodass im letzten Schritt nur noch die Farbe eingesetzt werden muss. Dafür werden die Linien tätowiert, die meistens schwarz sind, und die Schattierungen in schwarz und grau. Laienhaft ausgedrückt: Sind die ersehnten und erlaubten Farben eingetroffen, wird das Tattoo final ausgemalt.
Tattoofarben von Edding
Die Firma Edding, bekannt für seine Permanentmarker, ist vor einigen Jahren ins Tattoogeschäft eingestiegen. Nach Einschätzung von „Zeitgeist“-Inhaber Ronny Raida könnten sie eine Hoffnung für die Branche sein. Aber ob und wann die Farben für den Markt zugänglich gemacht werden, ist unklar.
Laut Internetseite des Unternehmen habe man bis zur Marktreife gut fünf Jahre an einer eigenen Tattoofarbe geforscht und getestet. Die Tattoofarben von Edding seien in Bezug auf Pigment-Bestandteile und Herstellung absolut konform mit der deutschen und der EU-Gesetzgebung, heißt es.