Bottrop. Die Facebook-Gruppe „Zu verschenken“, die Bott-Cast-Jungs und viele andere sammeln ganze Lkw-Ladungen für Flutopfer. Sie packen auch vor Ort an.

Als André Mlinaric die ersten Bilder von der Hochwasserkatastrophe sieht, sitzt er auf der Couch. Nicht mehr lange. „Ein Anruf bei den Bott-Cast-Jungs, die kenn’ ich. Wir müssen was tun! Dann ging alles ratzfatz“, erinnert sich Mlinaric, der eigentlich bei der Stadt arbeitet. Ein Trupp Helfer war da. Fabian Skowronek, Piet Metzen, Alex Teichert oder René Podgorski. Sie kennen Bottrops Kneipenszene. Die machen mit, öffnen ihre Lokale in der Innenstadt, um Sachspenden anzunehmen. Bald ist kaum noch Platz für Kleidung, Hygienartikel oder haltbare Lebensmittel. In wenigen Tagen wächst eine Helferszene in der Stadt zusammen. Leute, die sich vorher gar nicht oder kaum kannten, sind dabei, wollen etwas tun.

Durch die Katastrophe bekommt ein Netzwerk noch einmal eine andere Bedeutung

Auch Marcel Mihelovic ist einer von denen, die Zeit, Energie, Organisationstalent und sicher auch Geld reinstecken, um anderen in Hagen, Altenahr oder weiter weg in der Eifel zu helfen. Er ist bekannt durch die Bottroper Facebook-Gruppe „Zu verschenken in Bottrop und Umgebung“. Jetzt bekommt dieses Netzwerk noch einmal eine andere Bedeutung - als Koordinator für Hilfsgüter, die Bottroperinnen und Bottroper für die Hochwassergeschädigten spenden. Zwei Mal war er schon mit einem Transporter in Hagen. Mit Stefan Keisel hat er in kürzester Zeit eine Organisation auf die Beine gestellt, die Spenden annimmt, transportiert und vor allem zunächst auch lagert.

Freiwillige Helfer wie René Podgarski, Marcel Mihelovic und Sandra Schwarz (v.l.) nehmen im „Pfiffigen Haustierparadies“ unzählige Spenden
Freiwillige Helfer wie René Podgarski, Marcel Mihelovic und Sandra Schwarz (v.l.) nehmen im „Pfiffigen Haustierparadies“ unzählige Spenden © FUNKE Foto Services | an und lagern sie dort bis zum Weitertransport zum Beispel nach Hagen oder Altenahr.Thomas Gödde

„Ohne ,Das pfiffige Haustierparadies’ wären wir aufgeschmissen“, sagt Stefan Keisel. Er kennt Inhaberin Sandra Schwarz. Die stellt spontan den hinteren Bereich des Tierzubehörhandels zur Verfügung. „Wir hatten den Platz, klar, dass wir mitmachen“, so Sandra Schwarz. Seither stapeln sich an der Böckenhoffstraße 10 Kartons, Paletten und kleinere Container mit Kleidung, Hygienartikeln und was sonst sofort in einem Haushalt gebraucht wird, in dem es innerhalb von wenigen Stunden auf einmal nichts mehr gibt. Irgendwo guckt ein Teddy raus, Großpackungen Windeln, Babynahrung: Es kommt immer mehr. Eine Frau schiebt einen riesigen Einkaufswagen mit Sachen herein, Autos fahren vor.

Alles muss rein: Bis ein voller Lkw mit Hilfsgütern ausgeladen ist, dauert es eine Weile.
Alles muss rein: Bis ein voller Lkw mit Hilfsgütern ausgeladen ist, dauert es eine Weile. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Dazwischen schleppen René Podgorski oder André Brune, auch bekannt als „Ruhrpottologe“, Umzugskisten herein. Viele davon hat André Mlinaric von der Spedition Klauenberg bekommen. Die Bottroper Firma Müller und Biermann helfen mit ihren Lkw, die Spenden zu transportieren und sogar der Baumarkt Obi in Recklinghausen hat für 1000 Euro mit Werkzeug und Pumpen geholfen. „Es ist einfach toll zu sehen, wie viele Menschen es gibt, denen das Schicksal der anderen nicht egal ist“, sagen Marcel Mihelovic und Stefan Keisel. Das gilt auch für die vielen, die Geld spenden. So konnte Inge Schmidt-Mayr allein von ihren Kunden in Wäscherei und Postagentur bis gestern 500 Euro beisteuern. „Eine Dame brachte einen größeren Betrag ins Haustierparadies, für die Kaffeekasse der Helfer“, sagt Sandra Schwarz. „Aber das fließt natürlich in die Hilfe vor Ort“, sagt Marcel Mihelovic Insgesamt haben Menschen schon 1.360 Euro abgegeben, die direkt vor Ort für dringend Notwendiges verteilt werden können.

Die Helfer von
Die Helfer von "Zu verschenken in Bottrop" beim freiwilligen Dienst in Hagen. Die Stadt ist vom Hochwasser schwer beschädigt. © M.M.

Wer das Chaos und Leid nur aus dem Fernsehen kenne, könne sich das gar nicht vorstellen, sagt der Helfer. Am Samstag haben sie mit sieben Leuten fünf Keller und Wohnungen mit den Besitzern in Hagen ausgeräumt und gereinigt. „Bei einer Frau hat man später eingebrochen und von den nicht zerstörten Dingen sogar noch etwas gestohlen, wir konnten es kaum glauben“, sagt Mihelovic. Inzwischen haben sie Telefonnummern und Kontakte vor Ort. Das helfe bei der Koordination. Die großen Sammellager in den Orten seien zwar voll, aber individuelle Hilfe, wie unsere, würde weiter benötigt, so Stefan Keisel.

„Wir helfen, solange es nötig und gewollt ist“

Am Samstag geht es nach Altenahr. Was immer noch benötigt wird: Hygieneartikel, sortierte Kinderkleidung, am besten beschriftet verpackt, aber im Grunde vieles für den täglichen Bedarf und um einen Haushalt wieder ans Laufen zu kriegen. Nur bitte keine Möbel, Geschirr oder Erwachsenenkleidung. Wie lange sie helfen wollen? Mihelovic, Keisel, die Jungs vom Bottcast und alle anderen sind sich einig: So lange, wie es nötig und gewollt ist.