Bottrop . Nahverkehrsbetreiber Vestische will 120 neue Busse anschaffen, fünf davon mit Wasserstoffantrieb. Ein Prototyp ist am Rathaus vorgefahren.

Bottrop hat dem Nahverkehrsbetreiber Vestische grünes Licht gegeben für die Verkehrswende. Deutlich mehr Busse sollen künftig durch die Stadt rollen, und das möglichst klimafreundlich. Ein erstes Stück Verkehrswende konnte Oberbürgermeister Bernd Tischler jetzt im Wortsinn erfahren: Die Vestische testet gerade einen Wasserstoffbus-Prototyp.

Große Brennstoffzelle, kleine Batterie

Der polnische Bus- und Straßenbahnbauer „Solaris“ ist eines von drei Unternehmen, die sich an der Ausschreibung der Vestischen beteiligen. Sein „Urbino 12 electric“ wurde 2017 „Bus Of The Year“. Bei dem in Bottrop vorgefahrenen Prototyp setzt der Hersteller auf das Prinzip große Brennstoffzelle (70 kW) plus kleine Batterie (30 kW); der deutsche Anbieter Mercedes macht’s genau anders herum. „Wir wollten möglichst viel Wasserstoffbetrieb und wenig Ladebetrieb“, sagt Vestische-Geschäftsführer Marin Schmidt.

350 km Reichweite verspricht der Hersteller. Auch im Stadtverkehr? Gerade im Stadtverkehr, sagt Vestische-Betriebsleiter Thomas Krämer: Beim Bremsen lädt die Energie wie bei einem Formel-1-Boliden. Autobahnfahrten sind dagegen keine Paradedisziplin des Wasserstoffbusses. Schmidt und Krämer haben bei der Überführungsfahrt vom Hertener Betriebshof nach Bottrop zuschauen können, wie die Energieanzeige sank.

Und so funktioniert’s: Thomas Krämer erläutert die Antriebstechnik.
Und so funktioniert’s: Thomas Krämer erläutert die Antriebstechnik. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

„Schlüsselelement“ Wasserstoff

Die Entscheidung für fünf Busse mit Wasserstoffantrieb ist Konsequenz aus der Einschätzung, dass Wasserstoff ein „Schlüsselelement der Antriebswende“ ist, sagen Schmidt und Krämer. Die Vestische kann zudem profitieren von den Erfahrungen aus dem europäischen Pilotversuch „HiChain“: Von 2009 bis 2014 rollte schon einmal ein Wasserstoffbus durch Bottrop, allerdings deutlich kleiner als der jetzige Prototyp und mit überschaubarem Erfolg.

Weiteres Argument für den Wasserstoff: Gleich neben dem Vestische-Betriebshof in Herten verläuft eine Wasserstoff-Pipeline. Die kann die Vestische anzapfen, ohne sich zum die aufwändige Lagerung des Gases kümmern zu müssen. Auch am Bottroper Betriebshof soll eine Wasserstoff-Tankstelle entstehen. Außerdem gibt es in Bottrop ja noch die Wasserstoff-Tankstelle an der Kläranlage der Emschergenossenschaft, ergänzt Oberbürgermeister Bernd Tischler.

Stückpreis 650.000 Euro

Mit dem Prototypen hat das Vestische jetzt eine Woche die Alltagstauglichkeit getestet. Wie läuft’s mit dem Tanken? Wie geht das Anfahren am Berg? Wie lang reicht die Energie wirklich? Wie viel Reichweite bekommen wir für unser Geld? „Immerhin reden wir von einem Anschaffungspreis von 650.000 Euro“, sagt Krämer. Das Nahverkehrsunternehmen beziffert das gesamte Investitionsvolumen in die Wasserstofftechnik auf 10,5 Millionen Euro.

Und das ist nur ein kleiner Teil der geplanten Verkehrswende. 120 neue Busse mit Euro-VI-Norm will das Unternehmen bis 2025 beschaffen und damit den Stickoxidausstoß deutlich senken. 2,6 Millionen Kilometer mehr im Jahr will das Unternehmen künftig mehr fahren, weil es den Takt erhöhen will auf Schnellbuslinien zwischen den Ruhrgebietsstädten wie dem SB 16 zwischen Essen, Bottrop und Kirchhellen oder dem SB 36 zwischen Kirchhellen, Gladbeck und Gelsenkirchen.

Können Bottrop und die Städte im Kreis Recklinghausen nach dem zweiten Coronajahr die ehrgeizige Verkehrswende stemmen. Wir müssen sie stemmen, sagt Oberbürgermeister Bernd Tischler: „Wir bleiben bei den beschlossenen Fahrplan, auch wenn uns Erträge weggebrochen sind. „Die Verkehrswende ist gesellschaftlich notwendig. Eine sinnvolle Angebotsverbesserung, verknüpft mit dem Einsatz technischer Innovationen, stellt eine große Chance dar, gestärkt aus der Coronakrise herauszukommen.“

Solaris

Angefangen hat der polnische Bushersteller als Lizenznehmer der Marke Neoplan. 2011 stellte das Unternehmen seinen Prototyp eines Elektro-Stadtbusses vor.

Im Rekordjahr 2019 hat das Unternehmen 1487 Busse gebaut. 434 wurden in Polen verkauft, 283 nach Deutschland. 162 Busse waren elektrisch angetrieben.