Bottrop. Anwohner im Bottroper Süden befürchten Gesundheitsschäden. ÖDP-Vertreterin spricht sogar von Körperverletzung. Die Kokerei wird streng überwacht.
Oberbürgermeister Bernd Tischler soll sich für einen niedrigeren Zielwert bei der Messung von Kokerei-Schadstoffen wie Benzo(a)pyren einsetzen. Dazu fordern den Verwaltungschef die Mitglieder des Bottroper Umweltausschusses sowie der Ausschusses für Soziales und Gesundheit einstimmig auf. Auch aus Sicht der Bürgerinitiativen und Anwohner im Bottroper Süden ist dieser Zielwert zu hoch. Die Schadstoffbelastung am Gartengemüse zeige ja, dass die Umweltbelastung der Luft trotz Einhaltung des zurzeit gültigen Zielwertes noch zu hoch sei, erklärte Nicole Kruse. Es sei daher davon auszugehen, dass die Nachbarn der Kokerei gesundheitliche Schäden erleiden, befürchtet die Anwohner-Sprecherin.
Nicole Kruse vertrat während der Sondersitzung über die Kokerei Prosper außerdem die Ansicht, dass die eine Messstation des Landesumweltamtes in der Nähe der Schule Welheim nicht ausreiche, um die Schadstoffmengen im Umkreis der Kokerei genau genug zu erfassen. Die Bottroperin wies darauf hin, dass der Schadstoff-Zielwert als Jahresmittelwert inzwischen zwar offiziell als eingehalten gelte, es aber tageweise zu erheblich erhöhten Schadstoffwerten der Kokerei komme. Demnach haben die Anwohner festgestellt, dass der Schadstoffausstoß oft mittwochs sowie einschließlich freitags auch an den Wochenenden erhöht sei.
Bottroper wollen für ihr Zuhause und ihre Gesundheit kämpfen
„Wir sind dem schonungslos ausgesetzt“, beklagte Nicole Kruse. Außerdem beschwerte sich die Bürger-Sprecherin über Lärm sowie starke Geruchsbelästigungen durch die Kokerei. Dies verursache bei vielen unter anderem Kopfschmerzen und Halsweh. Die Bottroperin kritisierte, das die Kokereileitung immer nur auf Druck der Bürger und Auflagen der Bezirksregierung hin Modernisierungsmaßnahmen vorgenommen habe. Eine regelmäßige und bessere Wartung der Kokerei hätten den Anwohnern viele Schadstoffmengen erspart, meinte sie. Sie kündigte auch weitere Klagen gegen die Kokerei an. „Hier sind Menschen, die nicht aufhören werden, für ihr Zuhause und ihre Gesundheit zu kämpfen“, sagte Nicole Kruse.
Auch SPD-Landtagsabgeordneter Thomas Göddertz warf wie die Anwohner die Frage auf, warum die Verbesserungen in der Koksproduktion erst so spät erfolgt seien. Für die ÖDP grenzt die Schadstoffbelastung durch die Kokerei an Körperverletzung. Auch die Auflagen, mit denen die Bezirksregierungen Modernisierungen letztlich durchgesetzt habe, hätten früher erfolgen müssen, kritisierten die Grünen. „Es kann nicht sein, dass wir uns mit dem Wert von 1,1 Nanogramm zufrieden geben“, sagte Sprecher Burkhard Hölting.
Die Bottroper Kokerei wird vorerst bis Juli streng überwacht
Dabei steht die Kokerei in Bottrop unter ständiger Kontrolle. Die Bezirksregierung Münster wird den Betrieb nicht nur weiterhin streng nach den Regeln überwachen, sie hat zusätzlich auch einen externen Kontrolleur eingesetzt, der zunächst bis Juli unangemeldete Kontrollen in dem Betrieb des Konzerns Arcelor-Mittal durchführen wird. „Die Kokerei soll so sauber arbeiten, wie wir das durchsetzen können“, versicherte Abteilungsleiterin Christel Wies jetzt in Bottrop. Behördenvertreter wollen daher weitere Verbesserungsmöglichkeiten bei der Koksproduktion ausloten und dazu beitragen, dass die inzwischen zurückgegangene Schadstoffbelastung der Luft im Bottroper Süden von Dauer ist.
„Das Immissionsverhalten der Kokerei hat sich deutlich verbessert“, hielt die Abteilungsleiterin für Umwelt und Arbeitsschutz während einer gemeinsamen Sondersitzung des Bottroper Umweltausschusses und des Ratsausschusses für Soziales und Gesundheit in der Dieter-Renz-Sporthalle fest. Sie wies darauf hin, dass die Kokerei den Zielwert für das Umweltgift Schadstoff Benzo(a)pyren im Jahr 2020 eingehalten haben. Der Jahresmittelwert, der dafür Maßstab ist, lag bei 1,1 Nanogramm pro Kubikmeter Luft. In den beiden Jahren davor waren die Schadstoffwerte noch deutlich höher gewesen. So lag 2019 der Jahresmittelwert für Benzo(a)pyren bei 2,3 Nanogramm und im Jahr 2018 bei 1,7 Nanogramm pro Kubikmeter Luft.
Behörden führen bessere Luftwerte auf erzwungene Modernisierung zurück
Die Bezirksregierung führt den Schadstoffrückgang auf die Verbesserungsmaßnahmen zurück, die sie der Kokerei auferlegt hatte. Dazu hatte die Aufsichtsbehörde eine Ordnungsverfügung erlassen. „Das ist ein scharfes Schwert“, unterstrich Christel Wies. So musste die Kokerei für die Türen der Koksöfen ein ein funktionierendes Autopositionierungssystem installieren, damit die Ofentüren dicht verschlossen werden und so weniger Schadstoffe frei werden können. Sie musste dazu auch das Gleisbett modernisieren, über das die Türen vor die Öffnungen der Koksöfen geschoben werden.
Im Sommer entscheiden die Behörden dann, wie die Überwachung fortgesetzt werde. „Der Betreiber Arcelor-Mittal ist gefordert, alle zur Verbesserung des Emissionsverhaltens der Kokerei getroffenen Maßnahmen weiterhin optimal umzusetzen“, sagte die Behördenvertreterin. Es bleibe für die Kokerei eine Daueraufgabe, die Auflagen der Behörde zu erfüllen. Dazu gehöre zum Beispiel die regelmäßige Wartung und Instandhaltung der Koksofentüren und die regelmäßige Schulung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Um zu prüfen, dass die Kokerei die erforderlichen Maßnahmen auch anpacke, seien Behördenvertreter immer wieder zu unangemeldeten Kontrollen in Bottrop gewesen. „Es erfolgten zahlreiche unangemeldete Kontrollen vor Ort, auch in den Abendstunden und am Wochenende. Kontrollen werden von uns weiter regelmäßig durchgeführt, überwiegend unangemeldet“, versicherte die Abteilungsleiterin.
Anwohner in Bottrop klagen über Schadstoffbelastung des Gartengemüses
Anwohnern im Umkreis der Kokerei und Vertretern der Bürgerinitiative „Saubere Luft für alle“ reicht das alles nicht aus. „Egal wie gut die Werte jetzt sind, wir haben mit den Altlasten zu tun“, klagt Sprecherin Nicole Kruse. Die Anwohnerin wies darauf hin, dass Umweltbehörden im Bottroper Süden trotz der Verbesserung der Luft noch immer davor warnen müssen, bestimmte Gemüsesorten aus eigenen Gärten zu verspeisen. Von der schärften Warnung, das Blattgemüse besser gar nicht zu verzehren, sind nach Auskunft von Umweltdezernent Klaus Müller insgesamt 11.000 Bürger betroffen. Die abgestuften Warnungen, das Gemüse höchstens viermal oder dreimal pro Woche zu verspeisen, richten sich an weitere 14.500 Bewohner.