Bottrop. Zwischen Angst, Frust und Zusammenhalt: Drei Bottroperinnen aus einer betreuten Mädchen-WG erzählen, was Corona mit ihrem Leben macht.

„Körperlich geht es mir richtig gut, aber psychisch nur halb gut. Ich vermisse es rauszugehen, mich mit Freunden zu treffen. Vor Corona war ich mit vielen Leuten draußen unterwegs. Das vermisse ich.“ Worte eines 14-jährigen Mädchens, die die Stimmung der letzten Wochen und Monate vieler Teenager spiegeln dürfte. Die Jugendliche lebt in einer betreuten Mädchen-WG der Diakonie und berichtet zusammen mit zwei Mitbewohnerinnen (11 und 16), was die Corona-Pandemie mit ihrem jungen Leben macht. Ein großer Frustpunkt dabei: Homeschooling.

Bottroperin (14): Lehrer geben zu viele Hausaufgaben auf

„Ich finde, dass die Lehrer zu viele Hausaufgaben aufgeben. Ich kann nicht richtig mithalten“, sagt die Realschülerin. Ihre 16-jährige Mitbewohnerin bestätigt: „Vor Corona war es einfacher, in der Schule wurde alles erklärt, danach hat man zu Hause noch eine halbe Stunde Hausaufgaben gemacht.“ Und jetzt? „Manchmal verstehe ich die Aufgaben nicht.“ Alleine gelassen werden die Mädchen damit nicht in der WG, die Erzieherinnen und die junge Frau im Bundesfreiwilligendienst helfen beim Homeschooling. „Dafür kommt extra jemand zusätzlich morgens um 8 Uhr“, berichtet Erzieherin Nicole Abbing.

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Tja, wer hätte noch vor gut einem Jahr gedacht, dass junge Menschen den Schulbesuch vermissen würden? Immerhin ist ein wenig Änderung in Sicht: Ab dem 15. März sollen in NRW alle Schülerinnen und Schüler wieder zur Schule gehen dürfen, in der Regel aber in einem Wechselmodell. Normalität bedeutet das noch nicht. Und welche Lücken sich bei einzelnen aufgetan haben, wird sich wohl erst später zeigen.

Quarantäne-Situation ist für die Mädchen schwierig

Möglicherweise bringt der neuerliche Schulbesuch wegen Infektionsfällen in den Klassen auch wieder Quarantäne-Zeiten für einzelne Mädchen mit sich, wie in der Vergangenheit schon erlebt. „Wir haben ihnen dann Gesellschaftsspiele, Bücher und das Essen ins Zimmer gebracht“, so die Erzieherin. „Und Zeiten festgelegt, in denen sie alleine in die Gemeinschaftsräume durften.“ Es gebe in der WG auch Mädchen mit psychischen Schwierigkeiten, für sie sei eine Quarantäne-Situation besonders problematisch.

Für die Älteste der Drei hatte der Corona-Lockdown auch noch weitere negative Folgen. Sie hätte im Januar ihr Schulpraktikum in einem Krankenhaus machen wollen. „Das wurde abgesagt“, bedauert sie.

Das Chillen wird langweilig

Und nach dem Homeschooling? War zuletzt vor allem Chillen angesagt, meint die 16-Jährige. Klingt zwar erstmal gut, kann aber auch ganz schön langweilig sein. „Mir ist noch langweiliger als den anderen - ich darf mein Handy nicht so lange benutzen“, klagt die Elfjährige über die WG-Regeln. Abends ist sie froh, vor allem zusammen mit der 14-Jährigen Streamingdienste zum Filmeschauen nutzen zu können. Und sie arbeitet ganz gerne im Garten.

Streamingdienste stehen gerade in der Corona-Krise mit ihren Kontaktbeschränkungen hoch im Kurs bei den Jugendlichen.
Streamingdienste stehen gerade in der Corona-Krise mit ihren Kontaktbeschränkungen hoch im Kurs bei den Jugendlichen. © Diakonie | Michael Horst

Das Erzieherinnen-Team bemüht sich, eine abwechslungsreiche Freizeitgestaltung hinzubekommen, mit Ausflügen mit dem gemeinsamen WG-Hausstand zum Beispiel, Origami-Versuchen („Den Fisch und den Kranich habe ich hingekriegt“, sagt die 11-Jährige), Gipsmasken. Außerdem sind alle miteinander dabei, einen Fitnessraum mit Matten, Hanteln, Springseilen einzurichten. Wer von den Mädchen einen Freund hat, kann den natürlich treffen. Aber: „Früher sind wir praktisch von morgens bis abends rausgegangen“, so die 16-Jährige. Sie habe auch durchaus Angst, sich mit dem Virus anstecken zu können. Alle halten sich jetzt an die Kontaktbeschränkungen, lobt Nicole Abbing. Klar, dass sich die Mädchen ein wenig eingesperrt fühlen.

Die Ungewissheit in der Pandemie macht den Teenagern zu schaffen

Und die Ungewissheit macht ihnen zu schaffen: „Ich mache mir Sorgen, dass alles so weitergeht und nicht mehr aufhört“, meint die 14-Jährige. Ihr vor allem, Fußballspielerin im Verein, fehlte in den vergangenen Monaten auch der Sport.

Was gut ist: In dieser Situation halten die insgesamt neun Mädchen in der WG zusammen, bauen sich gegenseitig auf, hören einander zu, helfen sich bei ihren Schulaufgaben, haben sich auch schon gegenseitig die Haare geschnitten. Wobei die 16-Jährige auch dies bemerkt: „Vor Corona gab es nie Streit hier. Jetzt schon ab und zu.“

Die Mädchen-WG

In dieser Mädchen-WG der Kinder und Jugendhilfe der Diakonie leben neun Mädchen im Alter von elf bis 17 Jahren in einer stationären Jugendbetreuung. Eines der Mädchen ist schon in der Ausbildung.

Jede Jugendliche hat ihr eigenes Zimmer, zudem gibt es Gemeinschaftsräume und einen Garten.

Hintergrund des Lebens in einer stationären Mädchengruppe sind in der Regel Schwierigkeiten im Elternhaus, aus verschiedensten Gründen.