Kirchhellen. Schweren Herzens hat St. Johannes die Festmessen an Weihnachten abgesagt. Wegen all der Absagen in der Nachbarschaft würden sie zu riskant.
Jetzt also doch: Das Seelsorgeteam von St. Johannes hat schweren Herzens die Gottesdienste an Heiligabend und den Weihnachtsfeiertagen bis zum 27. Dezember abgesagt. Sie wären sehr wahrscheinlich die einzigen Messen im weiten Umkreis gewesen. Dieses Risiko wollten Seelsorger, Pfarreirat und Kirchenvorstand nicht eingehen.
„Weihnachten wird stattfinden.“ Mit dieser Botschaft war das Seelsorgeteam von St. Johannes seit Ende Oktober im Dorf unterwegs und hatte dafür ein ausgefeiltes Konzept mit ganz vielen kleinen Formaten vorbereitet, um Abstands- und Hygieneregeln einhalten zu können.
Gottesdienste im Halbstundentakt waren geplant
Mit einem Wortgottesdienst auf dem Kirchplatz von St. Johannes hätte Heiligabend beginnen sollen. Von 14 bis 17.30 Uhr waren Gottesdienste im Halbstundentakt geplant: an den Kirchen und in der eigens dafür angemieteten Dreifachsporthalle an der Loewenfeldstraße. Dort hätte in der Heiligen Nacht auch eine von drei Christmetten stattfinden sollen.
Aber das wäre zu riskant angesichts der weiter steigenden Inzidenzzahlen und eines befürchteten Andrangs aus den Gemeinden der Umgebung. Pfarrer Christoph Potowski verweist darauf, dass die evangelische Kirche von Westfalen bereits alle Gottesdienste abgesagt hat. Gleiches gilt für die katholischen Gemeinden in Oberhausen, Gladbeck und Dorsten. In Bottrop sollte die Entscheidung über die Festmessen am Montag fallen. Bei einer Videokonferenz, zu der auch Potowski zugeschaltet war, fiel dann die Entscheidung: In den beiden Bottroper Großgemeinden fallen alle Gottesdienste bis zum 10. Januar aus. Die Ansage von Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck war nämlich deutlich: Im Zweifel absagen (siehe unten). Auch das Jugendkloster hat alle Präsenzgottesdienste absagt.
„Begründete Zweifel“
Ist es vor diesem Hintergrund zu verantworten, in Kirchhellen die einziges Weihnachtsgottesdienste im weiten Umkreis stattfinden zu lassen? Pfarrer Potowski spricht von „begründeten Zweifeln, ob unsere Kapazität an Helfenden ausreichen, um unsere sehr gut vorbereiteten Hygienekonzepte weiter umsetzen zu können“.
Potowski rechnet damit, dass diese Entscheidung „bestimmt ein geteiltes Echo hervorrufen wird“. Trotzdem wolle man gemeinsam Weihnachten feiern - „wenn auch anders“. Die Kirchen in Grafenwald und Feldhausen bleiben geöffnet und laden zum Gebet an den Krippen ein. Dort liegen auch Vorschläge für den Heiligabendgottesdienst daheim aus. Die Krippe von St. Johannes ist wegen der laufenden Kirchenrenovierung in den Schaufenstern des Schuhhauses Möller zu sehen. Am Wunschbaum auf den Kirchplatz in Kirchhellen sowie in den Kirchen in Grafenwald und Feldhausen findet sich zudem eine Weihnachtsgeschichte für Kinder.
Zudem hat das Seelsorgeteam einen Kindergottesdienst und eine Christmette aufgezeichnet, die im YouTube-Kanal von St. Johannes ab Heiligabend zu sehen sein werden. Link und weitere Angebote: www.stjk.de.
Das Seelsorgeteam bietet außerdem Rufbereitschaft im Notfall, Kranken- und Hauskommunion an. Es wird auch zum persönlichen Gespräch zur Verfügung stehen; Einzelheiten dazu wird es im Laufe der Woche geben.
Am Heiligen Abend um 20 Uhr werden im Dorf alle Kirchenglocken läuten und verkünden: Weihnachten findet statt. Wenn auch anders.
Das sagen die Bischöfe in Münster und Essen
Ostern hätten sich die Menschen von der Kirche verlassen gefühlt. Deshalb rät das Bistum Münster, die Gottesdienste in aller Vorsicht durchzuführen. Im Bistum Essen dagegen sagt Ruhrbischof Overbeck: Im Zweifel absagen.
Das Bistum Münster verweist auf die Aussage der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina: „Die beiden großen Kirchen gehören zu den besonders regelkonformen Institutionen mit Blick auf die Einhaltung der coronabedingten Abstands- und Hygieneauflagen.“ Die Gottesdienste – gerade an Weihnachten – fänden unter noch einmal deutlich verschärften Bedingungen statt: „Es gibt in vielen Pfarreien eine deutlich höhere und vielfältigere Zahl an Gottesdiensten mit nach oben klar begrenzten Teilnehmerzahlen, es gibt Anmeldesysteme, Gottesdienste werden im Freien gefeiert. Niemand handelt hier fahrlässig.“
In der Öffentlichkeit werde die Entscheidung für Präsenzgottesdienste von vielen dennoch sehr kritisch gesehen. Dabei werde übersehen, dass Gottesdienste ein wichtiges Zeichen der Solidarität, des Trostes, der Hilfe und auch der Geborgenheit sind. Im Frühjahr wurden die Kirchen beim ersten Lockdown von vielen Seiten kritisiert, weil sie freiwillig auf Präsenzgottesdienste verzichtet haben: Wo war die Kirche? Wo hat sie den Menschen Halt gegeben? „Diese Kritik haben wir uns zu Herzen genommen und möchten den Menschen die Möglichkeit geben – unter wie gesagt sehr strikten Rahmenbedingungen – Halt, Trost und Zuversicht in der Mitfeier von Gottesdiensten zu finden.“
„Dann ist ein Verzicht geboten“
Den Wert der Gottesdienste gerade zu Weihnachten sieht Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck auch. Viele Verantwortliche seien „hin- und hergerissen, weil sie einerseits die dramatische Pandemie-Entwicklung sehen, andererseits aber auch die enorme Bedeutung weihnachtlicher Gottesdienste für viele Gläubige gerade in der jetzigen Lage spüren“, schrieb er am Freitag an alle Gemeinden. Sein Rat: Im Zweifel lieber absagen. „Wenn die Verantwortlichen einer Pfarrei zu der Einschätzung kommen, dass die Feier von Präsenz-Gottesdiensten vor Ort nicht gefahrlos möglich ist, dann ist ein Verzicht geboten.“
Bei einem örtlichen Inzidenzwert von mehr als 300 rät der Krisenstab des Bistums, in jedem Fall alle Präsenzgottesdienste abzusagen. Aktuell haben unter anderem bereits die Duisburger Pfarreien Liebfrauen und Judas Thaddäus, die Oberhausener Pfarreien St. Clemens und St. Pankratius, die Essener Pfarreien St. Josef (Frintrop), St. Dionysius, St. Johann Baptist und St. Nikolaus sowie die Hattinger Pfarrei St. Peter und Paul ihre Präsenzgottesdienst zu Weihnachten – und zum Teil darüber hinaus – abgesagt. Zudem hat das Domkapitel den von Cityseelsorger Bernd Wolharn geplanten Gottesdienst in der Tiefgarage des Essener Generalvikariats gestrichen.