Bottrop. 190 ihrer 240 Busse hat die Vestische mit zusätzlichen Schutzscheiben für den Fahrer ausgerüstet. Damit geht wieder der Ticketverkauf im Bus.
Der Busbetreiber Vestische geht in den Endspurt auf dem Weg zurück zu mehr Normalität im Nahverkehr. In 190 Busse der Vestischen können die Fahrgäste wieder vorn einsteigen und Fahrkarten kaufen, weil das Unternehmen Sicherheitsscheiben für die Fahrer eingebaut hat. Auch die Fahrgastzahlen steigen wieder an: Das Unternehmen schätzt, es habe inzwischen wieder 80 Prozent des Fahrgastaufkommens vor Corona erreicht. Nachteil für die Fahrgäste: Die Busse werden wieder voller.
Wirtschaftlich wird das Jahr 2020 für die Vestische ein riesiges Minusgeschäft. Die Fahrplaneinschränkungen in der Lockdown-Phase und die Angst der Nahverkehrskunden vor Ansteckung in den Bussen haben die Nutzerzahlen vorübergehend in den Keller getrieben. Zum Schutz der Fahrer hat die Vestische im März den Vordereingang in die Busse gesperrt und den Fahrkartenverkauf im Bus eingestellt. Die Quote der - erwischten - Schwarzfahrer wuchs von 1,6 auf 7 Prozent im Juli. Und dann muss das Unternehmen rund eine Viertelmillion Euro in die Hand nehmen, um die Fahrerkabinen mit Schutzscheiben nachzurüsten. Wohl verstanden: Das sind nur die Materialkosten.
Sechs Mitarbeiter arbeiten ständig an der Umrüstung
Wie viele Mannstunden in der Umbauaktion stecken, ist schwer zu schätzen. Derzeit sind sechs Mitarbeiter in der Vestische-Werkstatt am Betriebshof Herten mit nichts anderem beschäftigt, als die Schutzscheiben für die Fahrer nachzurüsten, berichtet Werkstattleiter Torsten Kastner.
Die Grundsatzentscheidung über das Material gegen Folie und Plexiglas für beidseitig entspiegeltes Echtglas war relativ rasch betroffen, berichtet Kastner. „Wir gehen davon aus, dass die Glasscheiben so lange halten wie die Fahrzeuge selbst, also 12 bis 14 Jahre.“ Doch der Umbau bedeutet eine „kontinuierlichen Kraftakt“. Der Werkstattleiter demonstriert das an Bussen in unterschiedlichen Umbau-Phasen.
Glas soll auch vor Angriffen schützen
Zu lösen waren wesentlich zwei Grundprobleme: Wie lassen sich die Scheiben statisch sicher einbauen, ohne dem Fahrer das Sichtfeld einzuschränken? Und: Wohin mit Fahrscheindrucker und Kasse - und mit den vielen Kabeln, die neu verlegt werden müssen? Gemeinsam mit dem Hersteller und dem Busbetreiber-Verbund KÖR hat das Unternehmen ein System entwickelt, das dem Fahrer auch Sicherheit vor Angriffen von Fahrgästen bietet. So ist die Durchreiche für das Fahrgeld etwa so gestaltet, dass die Hand eines Fahrgastes den Fahrer nicht wirklich erreichen kann. Der Fahrscheindrucker wandert auf das Armaturenbrett, die Kasse auf den Türrahmen. Bohr- und Montageschablonen sollen den Einbau erleichtern und Qualitätsstandards sichern.
Umrüstung soll zum Jahresende abgeschlossen sein
Die ersten so umgerüsteten Busse rollen seit Juli unter anderem auf der Linie 263 von Oberhausen über den ZOB und Welheim nach Essen-Karnap. Seit August ist der Vordereinstieg im Schnellbus 16 (Essen - ZOB - Kirchhellen) wieder geöffnet, weil auch die Bahntochter BVR ihre Gelenkbusse umgerüstet hat - und außerdem wirbt mit einer Beschichtung, die das Coronavirus zuverlässig abtöten soll.
Bis Jahresende will die Vestische die Umrüstung abgeschlossen haben. Neben 50 eigenen Bussen stehen in der Warteschleife noch rund 100 Busse von Fremdfirmen, die im Auftrag der Vestischen unterwegs sind.
Ein Smiley zeigt: Vordereinstieg wieder offen
Busse mit geöffnetem Vord ereinstieg kennzeichnet die Vestische auf der Frontscheibe mit einem Smiley mit Schaffnermütze. An der Vordertür wird der rote Button mit der Aufschrift „Bisschen weiter links“ durch einen ebenfalls roten Begrüßungstext ersetzt.
Auf die Straße geschickt werden die umgerüsteten Busse jetzt nicht mehr Linie für Linie, sondern wie es in den Fahrplan passt. Deshalb müssen die Fahrgäste bis Jahresende im Einzelfall schauen, ob sie vorn oder hinten einsteigen müssen.