Bottrop. Die Busse fahren in Bottrop nicht – dafür viele Elterntaxis: Warnstreik ist für Familien eine Herausforderung. Fahrgäste am ZOB haben Verständnis
Der erneute Warnstreik im öffentlichen Nahverkehr führt am Donnerstagmorgen dazu, dass Schüler vermehrt von ihren Eltern mit dem Auto zur Schule gebracht werden. Am Schulzentrum Kirchhellen mit Sekundarschule und Gymnasium im Norden Bottrops ist das gegen 8 Uhr zum Beispiel deutlich zu sehen an der langen Autoschlange auf der kleinen Straße An St. Johannes.
Teils allein, oft in Fahrgemeinschaften trudeln die Kinder ein. Auch Joleen (12), die normalerweise aus Grafenwald mit dem Bus fährt, steigt hier aus dem Auto ihrer Mutter. Die weiß durchaus: „Wegen der Elterntaxis gab es hier schon mal Beschwerden von Anwohnern – und jetzt bringt praktisch jeder sein Kind mit dem Auto hierhin.“ Allein: Auch gerade bei dem regnerischen Wetter fehlt es an Alternativen für Schüler, die einen weiteren Schulweg haben.
Verständnis für die Forderungen der Busfahrer
Und ein Streik ist eine Ausnahmesituation, der auch die Eltern vor Herausforderungen stellt. „Das wird dann zwei Tage vorher angekündigt“, sagt die Grafenwälderin. „Durch Corona haben sowieso schon alle ihre Schmerzgrenze an Urlaubstagen erreicht.“ Nun müssten zusätzlich die Kinder zur Schule gebracht – und mittags wieder abgeholt werden. „Es gibt ja auch Eltern, die ganztags arbeiten“, gibt die 42-Jährige zu bedenken, die dennoch Verständnis für die Busfahrer und ihre Forderungen zeigt. „Gerade jetzt in der Corona-Zeit sind sie ja auch noch gesundheitlich stärker gefährdet.“
Auch am Josef-Albers-Gymnasium kommen in der Regel viele Schülerinnen und Schüler mit dem Bus. Am Donnerstagmorgen ist es logischerweise anders. Trotz des schlechten Wetters seien viele aufs Fahrrad umgestiegen, hat Schulleiter Ingo Scherbaum beobachtet. Coronabedingt würden sowieso derzeit mehr Kinder und Jugendliche zur Schule radeln anstatt mit dem Bus zu fahren, „doch heute sind die Abstellplätze der Fahrräder noch einmal voller als sonst an den Tagen“.
Am Bottroper ZOB fahren nur ganz vereinzelt einige Linien ab
Lediglich zwei Schülerinnen und Schüler – von rund 1300 – hätten es nicht geschafft trotz des Warnstreiks zur Schule zu kommen. Weil auch Kinder aus Nachbarstädten das JAG besuchen, seien die Schulwege teils recht lang. „Wir drehen deshalb auch niemandem einen Strick daraus an solchen Tagen“, sagt Scherbaum. Wobei Bottrop ja noch Glück habe. In Essen beispielsweise seien die Schulen komplett geschlossen, berichtet Scherbaum. Denn in der Nachbarstadt streiken auch die Schulhausmeister. Das dortige Lagezentrum zur Pandemiebekämpfung hat daher entschieden, die Schulen für einen Tag dicht zu machen. Dass Schüler möglicherweise vor verschlossenen Schultoren hätten stehen können, habe man weder ihnen noch den Eltern zumuten wollen, so die Begründung der Stadt. Und: Man habe nicht sicherstellen können, dass die Reinigungskräfte Zutritt zu den Schulgebäuden bekommen. In Pandemiezeiten ein sensibles Thema.
Am ZOB in der Innenstadt ist es derweil trostlos und leer. Auf den Anzeigetafeln wird verkündet, dass die Vestische ihren Betrieb für Donnerstag stillgelegt hat. Die Fahrgäste, so scheint’s, haben sich auf den Warnstreik eingestellt und sind vorbereitet. Nur vereinzelt fahren Busse vor. So sind etwa die Schnellbusse 16 und 29 nach Essen bzw. Gelsenkirchen unterwegs, die DB-Tochter Rheinlandbus wird nämlich nicht bestreikt, daher verkehren die Linien zumindest teilweise. Aber auch einzelne Linien der Vestischen werden bedient. Hier sind dann Subunternehmen wie etwa Urban Reisen unterwegs.
Fahrgäste in Bottrop hatten sich auf den Warnstreik vorbereitet
Renate Filipek wartet an einem der Bussteige auf ihre Linie. Die SB 16 fährt ja, sie hat also Glück. Doch grundsätzlich hat auch sie Verständnis für den Warnstreik. Anders erhielten die Beschäftigten ja leider kein Geld. „Ohne Streik geht es also wohl nicht.“ Als Fahrgast müsse man sich dann eben darauf einstellen.
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Das hätten am Donnerstag wohl auch die meisten getan, so die Einschätzung von Mehmet Erbek, Inhaber der Taxi Union. In der vergangenen Woche habe sein Unternehmen noch vom Warnstreik profitiert, viele Menschen seien ins Taxi umgestiegen, so seine Wahrnehmung. „Da hatten wir schon am Vortag Reservierungen für den Streiktag.“ Diesmal sei es dagegen anders gewesen, so Mehmet Erbek. Daher seine Einschätzung, dass die Menschen besser vorbereitet waren. „Wir haben diesmal morgens vielleicht noch drei Fahrgäste an Haltestellen eingesammelt, die überrascht waren, dass ihr Bus nicht fährt.“
Weitere Infos zum Warnstreik-Tag gibt es in unserem Newsblog auf waz.de
Druck auf Arbeitgeber
Laut Verdi-Gewerkschaftssekretär Jürgen Schirmer beteiligten sich rund 600 bis 650 Verdi-Mitglieder an den Betriebshöfen der Vestischen in Bottrop und Herten am zweiten Warnstreik-Tag im Nahverkehr.
„Es geht uns um den bundesweiten Rahmentarifvertrag“, erläutert Schirmer. „Die Arbeitgeberseite, in dem Fall die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände VKA, hat gesagt: Wir verhandeln nicht mit euch.“ Die Gewerkschaft erachtet es aber für wichtig, einen Rahmenvertrag zu erhalten, in dem es bundesweit einheitliche Regelungen für die insgesamt 87.000 ÖPNV-Beschäftigten gibt – etwa beim Ausgleich von Überstunden oder den Zulagen für Schichtdienste.
Schirmer: „Wir fordern die VKA auf, zeitnah in Verhandlungen einzutreten.“ Derzeit werden in den Bundesländern jeweils eigene Tarifverträge ausgehandelt.