Bottrop. Der wichtige Touristik-Bereich macht Bottroper Busunternehmern Sorgen. Der Linienverkehr ist stabilisiert, und in einer Sparte gibt’s mehr zu tun
Die Bottroper Busunternehmen können zwar heute mehr Fahrzeuge auf die Straße schicken als noch zu Beginn der Corona-Krise. Doch nach einem halben Jahr der Pandemie bleibt die Situation für sie immer noch schwierig. Vor allem der Reiseverkehr konnte noch lange nicht aufholen. „Normalerweise wäre jetzt Hauptsaison für uns“, sagt Jennifer Sellami-Fischer vom Reisedienst Fischer. Nicht so in diesem Jahr. Und der sowieso nicht so geschäftsstarke Winter steht schon vor der Tür.
Nach dem Lockdown mussten Busunternehmen nur noch Stornierungen bearbeiten
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„Als der Lockdown im März kam, haben wir nur noch Stornierungen bearbeitet“, berichtet die Reisedienst-Chefin. „Wir machen, neben der Schülerbeförderung, vor allem viele Klassenfahrten und Ausflüge. Der komplette Reiseverkehr ist bis nach den Sommerferien weggebrochen. Wir haben ja auch sonst viele Ferienfreizeiten gefahren.“ Das erste große, was dann wieder klappte, war die Bottroper Stadtranderholung. Und der Rest fange jetzt so ganz langsam wieder an, „kleinere Schulfahrten, etwa zum Zoo in Münster oder zum Heidhof.“ Oder Tagesausflüge von Firmen. Stornierte Klassenfahrten sollen zudem oft nächstes Frühjahr nachgeholt werden, hofft die Geschäftsführerin auf die Zukunft.
Bottroper Unternehmerin stellt eigenes Ferienfahrtenprogramm auf die Beine
Weil die selbst gebeutelten Reiseanbieter derzeit im Prinzip keine Busse von Fischer anmieten, ist Jennifer Sellami-Fischer kreativ geworden und hat ein eigenes Ferienfahrtenprogramm für die Herbstferien auf die Beine gestellt. Wie das gebucht wird, muss sich noch zeigen. „Normalerweise sieht unser Geschäft so aus: 40 Prozent Schülerbeförderung, 60 Prozent Reiseverkehr inklusive Klassenfahrten. Im Moment aber haben wir 90 Prozent Schülerbeförderung und zehn Prozent Reiseverkehr.“
Das einzige, was die Fischer-Busse auch zu Krisenbeginn noch fahren konnten, waren die Besucher der Notgruppen in den Seniorentagesstätten. Das bedeutete über drei, vier Monate aber: „Wenn wir normalerweise rund 600 Personen am Tag befördert haben, waren es jetzt zwölf.“ Kurzarbeit wurde angemeldet für alle Fahrer der insgesamt 38 Klein- und Reisebusse und Soforthilfe für den 50 Mitarbeiter starken Betrieb beantragt.
Ein Transport-Zweig ist aber gewachsen
Inzwischen allerdings sei der Zweig der Transporte von Demenzerkrankten und Menschen mit Behinderungen aufgrund von Corona gewachsen: Da die Kleinbusse nicht voll belegt werden dürften, würden mehr Fahrten fällig und auch bezahlt. „Dafür haben wir zwei neue Achtsitzer angeschafft“, verrät Sellami-Fischer. Die Zuwächse hier fingen die Verluste in den anderen Bereichen aber nicht auf.
In den Bussen gelten verschiedene Hygienemaßnahmen
Für die anderen Busse gilt: „Wir dürfen sie in NRW voll machen, wenn ein Mund-Nase-Schutz getragen wird.“ Sitzt zum Beispiel ein Klassenverband zusammen, dürfen die Masken am Sitzplatz auch abgenommen werden. Das gelte auch, wenn jeweils Zehn-Personengruppen mit Abstand voneinander im Bus sitzen. Die Bus-Toiletten bleiben geschlossen, beim Einsteigen müssen die Hände desinfiziert werden und Koffer dürfen nur noch vom Personal verstaut werden.
Philipp Urban, Geschäftsführer von Urban-Reisen mit Standorten in Bottrop, Gladbeck und Duisburg, berichtet darüber hinaus von Lüftungsanlagen, die nach Herstellerangaben eine gute Arbeit in den Bussen verrichten. Touristik-Fahrten würden locker belegt. „Teils fährt ein 78er Doppeldecker für 20 bis 30 Personen.“
Steigende Infektionszahlen verunsichern potentielle Busreisende
Für sein Unternehmen kann Urban sagen, dass im wichtigen Bereich des öffentlichen Personennahverkehrs alles zur Normalität zurückgefunden habe. Aber im fürs Unternehmen ebenfalls riesigen Bereich Charter und Touristik würden im Vergleich zum Vorjahr etwa fünf bis zehn Prozent der Fahrten durchgeführt. Und auch die Fahrten für das Berliner Fernreiseunternehmen Flixbus würden aktuell wieder runtergefahren. Über deren Wiederaufnahme nach Pfingsten hatte der Geschäftsführer sich sehr gefreut. „Flixbus fuhr wieder zu 70 Prozent, wir hatten auch guten Erfolg, waren gut besetzt“, erinnert sich Philipp Urban. Doch durch aktuell wieder steigende Infektionszahlen und das Ende der Sommerferien in sämtlichen Bundesländern blieben aktuell Fahrgäste aus und Touren würden gestrichen. „Jetzt gerade sind wir vielleicht mit 40 Prozent dabei.“
Reisen für Herbst und Winter sind auch bei Urban im Angebot, doch durch die erhöhten Infektionszahlen, die den Menschen Angst machten, rechnet der Geschäftsführer nicht mit einer enormen Nachfrage.
Und so gebe es Busse in der Flotte mit insgesamt 180 Fahrzeugen, die über ein Jahr lang still stehen würden, so Urban. Das wirtschaftliche Ausmaß könne man noch gar nicht richtig überblicken, sei in jedem Fall aber katastrophal. „Dank der Kurzarbeit können wir noch in die Zukunft schauen. Und wird sind zum Glück stabil aufgebaut.“ 300 Mitarbeiter zähle das Unternehmen.
Innerhalb Deutschlands
Philipp Urban hofft nun, dass es bald einen Impfstoff gegen das neuartige Coronavirus gibt. „Damit auch das Reisen für die Menschen wieder attraktiver wird“, sagt er mit Blick auf seine Branche.
Denn dass die Menschen gerne reisen wollen, wenn auch am liebsten nur noch innerhalb Deutschlands, das spüren sowohl Philipp Urban als auch Jennifer Sellami-Fischer. Die hat erstmals in der Firmengeschichte Werbeflyer verteilt. „Damit die Leute an uns denken, wenn sie denn verreisen wollen.“