Bottrop. Durfte die Staatsanwaltschaft nach dem Urteil gegen Apotheker Peter Stadtmann wegen Millionenbetrugs Insolvenzantrag stellen? O ja, sagt der BGH.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat nicht nur die Revision des Bottroper Apothekers Peter Stadtmann gegen das Urteil im Prozess um den Millionenbetrug mit gestreckten Krebsmedikamenten verworfen. Am selben Tag haben die obersten Bundesrichter auch entschieden: Die Staatsanwaltschaft hat nach dem Prozess zu Recht die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Apothekers beantragt. Eine Beschwerde dagegen haben sie zurückgewiesen.
In einem wichtigen Punkt haben die Bundesrichter allerdings den Stadtmann-Anwälten Recht gegeben. In den beiden Beschlüssen haben der 4. und 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofes die Schadenssumme heruntergerechnet. Das Landgericht hatte in seinem Urteil angeordnet, Vermögen im Wert von rund 17 Millionen Euro einzuziehen. Das sei zuviel, sagen die Bundesrichter. Eingezogen werden könnte nur die Summe, die der Apotheker aus den „betrügerischen Abrechnungen“ mit Krankenkassen und anderen Kostenträgern erlang habe. Diese Summe beziffern die Richter auf 13,6 Millionen Euro.
„Beschwerde zulässig, aber unbegründet“
In der Zurückweisung der Stadtmann-Beschwerde gegen den Insolvenzantrag zeichnen die Richter ausführlich dessen Entstehung nach, um zu begründen, warum die Beschwere zwar zulässig, aber unbegründet sei.
Nach dem inzwischen rechtskräftigen Urteil gegen den Apotheker wegen Millionenbetrugs und mehr als 14.000 Verstößen gegen das Arzneimittelgesetz (zwölf Jahre Haft und lebenslanges Berufsverbot sowie Vermögensarrest) im Juli 2018 hatte die Staatsanwaltschaft Essen Insolvenzantrag gestellt, weil bei ihr Forderungen von Krankenkassen in Höhe von mehr als 32 Millionen Euro angemeldet worden waren. Zu diesem Zeitpunkt hatten die Strafverfolger bei Stadtmann Vermögenswerte von 5,3 Millionen Euro gesichert.
Erfolg in erster Instanz
Dabei habe die Staatsanwaltschaft den falschen Rechtsweg beschritten, argumentieren die Anwälte des Apothekers in einer Klage beim Verwaltungsgericht Gelsenkirchen. Die Richter gaben Stadtmann im März 2019 Recht und verwiesen den Streitfall ans Oberlandesgericht Hamm. Das entschied: Die Staatsanwaltschaft hat alles richtig gemacht. Obwohl Stadtmann später selbst einen Insolvenzantrag stellte, hat er trotzdem noch Beschwerde beim BGH gegen den Insolvenzantrag eingelegt. Begründung: Er wolle gegen die Staatsanwaltschaft einen Amtshaftungsanspruch geltend machen. Die Bundesrichter sehen dafür „geringe Erfolgsaussichten“.
Allerdings sei der Insolvenzantrag tatsächlich ein „tiefer Grundrechtseingriff“. Deshalb hatten die Bundesrichter zu prüfen, ob die Staatsanwaltschaft von richtigen Überlegungen ausgegangen und den richtigen Rechtsweg beschritten hatte. Diese Prüfung führt tief hinein in die Verästelungen der Strafprozessordnung und des Insolvenzrechts.
Quote „zutreffend errechnet“
Die Bundesrichter kommen zu dem Schluss: Die Staatsanwaltschaft durfte Insolvenzantrag stellen, weil es mit den Krankenkassen viele Geschädigte gibt und der sicher gestellte Vermögenswert nicht ausreichen werde, ihre Ansprüche zu befriedigen. Die Staatsanwaltschaft hatte geschätzt, „dass jeder Krankenkasse etwa 24 Prozent ihrer angemeldeten Ansprüche zustehen“. Des wäre ein Summe von mehr als 7,8 Millionen Euro. Diese Quote sei „zutreffend errechnet“ und liege deutlich über den gesicherten Vermögenswerten, befanden die Bundesrichter. Und: „Weitere Voraussetzungen hatte die Staatsanwaltschaft bei ihrer Entscheidung nicht zu prüfen.“