Bottrop . Der BGH hat die Revision der Verteidigung gegen das Urteil im Bottroper Apothekerskandal verworfen. Doch für die Opfer geht der Kampf noch weiter
Das Urteil des Landgerichtes Essen gegen den Bottroper Apotheker Peter Stadtmann ist offensichtlich rechtskräftig, weil der Bundesgerichtshof (BGH) dessen Revision als unbegründet verworfen hat. Das twittert das Recherchenetzwerk „Correctiv“. BGH-Sprecherin Dietlind Weinland sagt dagegen auf WAZ-Anfrage: „Dass die Revision der Verteidigung verworfen wurde, kann ich derzeit nicht bestätigen.“ Als Reaktion auf diese Stellungnahme hat „Correctiv“ den Beschluss ins Netz gestellt. Aus ihm geht hervor: Der BGH hat die Revision verworfen, aber die Schadenssumme von 17 auf 13,6 Millionen Euro gesenkt.
Das Landgericht hatte den Bottroper Apotheker im Juli 2018 zu zwölf Jahren Haft und lebenslangem Berufsverbot wegen Millionenbetruges verurteilt. Die XXI. Wirtschaftskammer sah es als erwiesen an, dass er 14.500 gestreckte oder verfälschte Krebsmedikamente hergestellt hat. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofes hatte mit Beschlüssen vom 7. April die Revisionen von 21 Nebenklägern als unzulässig verworfen. Damit standen noch die Revision der Verteidigung und zweier weiterer Nebenkläger zur Entscheidung an. Die Staatsanwaltschaft hatte ihre Revision bereits im September 2019 zurückgezogen. Inzwischen hat zudem ein Insolvenzverwalter gegen die Mutter des Apothekers eine Millionenklage erhoben.
Endgültig abgeschlossen ist der Fall auch nach dem BGH-Entscheid nicht
Wenn der Bundesgerichtshof seine Entscheidung bestätigt, wird Heike Benedetti ein Stein vom Herzen fallen. Die Bottroperin gehört zu den Opfern des Apothekerskandals, hat vor Ort Demonstrationen organisiert, um auf das Leid der Betroffenen aufmerksam zu machen. „Wir haben ja lange darauf gewartet, dass der BGH entscheidet und sich meldet.“ Die Bottroperin ist froh, wenn das Essener Urteil rechtskräftig wird, und dass Stadtmann nun in den regulären Strafvollzug kommt. Damit sei zumindest ein Kapitel des langen Martyriums der Opfer abgeschlossen.
Doch endgültig abgeschlossen ist der Fall für die Opfer noch nicht. Heike Benedetti hofft, dass mit dem BGH-Entscheid der Zivilprozess gegen den Apotheker beginnen kann. Sie und andere Opfer verklagen Stadtmann auf Schadensersatz und Schmerzensgeld. Außerdem hat die Bottroperin Anzeige gegen die Mutter des Apothekers erstattet. Sie schließt sich damit dem Insolvenzverwalter an.
Bottroper Opfer kämpfen auf politischer Ebene für einen Opferfonds
Zusätzlich kämpft Heike Benedetti weiter auf politischer Ebene. Sie will erreichen, dass das Land NRW einen Fonds für die Opfer des Bottroper Apothekerskandals auflegt. Zuletzt gab es zu dem Thema eine Anhörung im Petitionsausschuss des Landtags. Dort hat die Bottroperin ihr Anliegen vorgetragen. Ein Ergebnis gibt es noch nicht.
Erleichtert zeigte sich im Gespräch mit der Lokalredaktion auch Martin Porwoll. Der ehemalige Angestellte in der Apotheke hatte gemeinsam mit einer Kollegin den Fall überhaupt erst ins Rollen gebracht und die entscheidenden Hinweise gegeben. Mit der Entscheidung, des BGH schließt sich auch für ihn persönlich ein Kreis.
Für den Whistleblower Martin Porwoll endet mit dem Beschluss ein Lebensabschnitt
„Damit endet wenn man so will ein Lebensabschnitt. Die ganze Sache ist zwar nicht mehr so präsent wie zu Prozesszeiten oder zu Hochzeiten der Revision, doch wenn sich die Entscheidung so jetzt bestätigt, ist es genau das, was noch fehlte um diesen Lebensabschnitt zu beenden.“ Das sei nun der Tag – wenn es nun so kommt wie es aller Wahrscheinlichkeit nach ist – der das große Ziel war, als sie die Ermittlungen angestoßen haben.
Selbstverständlich weiß auch Martin Porwoll, dass die gesamte Causa Stadtmann damit noch längst nicht am Ende ist – gerade mit Blick auf die Betroffenen. Mit Blick auf die Opfer hat er dann auch noch einen Vorschlag. Die von der Staatsanwaltschaft sicher gestellten 13 Millionen Euro sollten aus seiner Sicht für einen Fonds für die Apothekeroper genutzt werden – mindestens aber zum Kampf gegen Krebs. Die deutsche Justiz hätte hier in dem Fall die Chance auf einen „positive Geldwäsche“, so Porwoll.