Bottrop. Im Millionenpoker um die Mehrheit am Energieversorger Ele ist ein Deal ausgehandelt. Zum 1. Juli könnte er Bottrop 1,3 Millionen Euro einbringen.

Im Millionenpoker um die Anteilsmehrheit am regionalen Energieversorger Emscher Lippe Energie (Ele) liegt das letzte Angebot der Ele-Mutter Innogy auf dem Tisch. Wenn die Räte in Bottrop, Gladbeck und Gelsenkirchen zustimmen, übernehmen die Städte Bottrop und Gladbeck sowie die Stadtwerke Gelsenkirchen zum 1. Juli für je 300.000 Euro die Anteilsmehrheit an der Ele. Im Gegenzug zahlt Innogy jedem der drei Gesellschafter 1,6 Millionen Euro dafür, dass sie für die nächsten sechs Jahre von ihrer Stimmenmehrheit keinen Gebrauch machen. Klingt nach einem guten Geschäft, ist auch eins. Und so geht der Deal.

Möglich wurde er durch die Teilfusion der beiden Energieriesen RWE und Eon, die 2018 angekündigt hatten, ihre Geschäftsfelder durch Aktientausch neu aufzustellen. Dabei wurden die Netze und das Endkundengeschäft der Ele-Mutter und bisherigen RWE-Tochter Innogy Eon zugeschlagen.

Haben hier bald die Städte das Sagen? Die Hauptverwaltung der Emscher Lippe Energie GmbH  in Gelsenkirchen.
Haben hier bald die Städte das Sagen? Die Hauptverwaltung der Emscher Lippe Energie GmbH in Gelsenkirchen. © FUNKE Foto Services | Oliver Mengedoht

Option durch Eigentümerwechsel

Damit hatten die drei Städte Bottrop, Gladbeck und Gelsenkirchen die Option, die so genannte „Change Of Control“-Klausel zu ziehen: Wenn der Innogy-Eigentümer wechselt, dürfen die drei Städte, die bis dahin zusammen 49,9 Prozent der Ele-Anteile hielten, ihren Besitz auf 50,1 Prozent aufstocken und damit das wirtschaftliche Kommando übernehmen. Für diese Verhandlungen hat sich die Verwaltung im Juli 2018 im Rat grünes Licht geben lassen.

Im Zentrum der Verhandlungen mit Innogy standen aus Sicht der drei Städte zwei zentrale Fragen: Was kostet es uns, die fehlen 0,2 Prozent der Anteile zu übernehmen? Und was würde Innogy uns dafür geben, wenn wir die Aufstockungs-Option nicht oder noch nicht ziehen?

Übergangsfrist

Wenn nämlich die Kommunen die Mehrheit übernehmen, scheidet die Ele aus dem neuen Konzernverbund mit Innogy und Eon aus. Damit verliert der Energieversorger das so genannte Konzernprivileg, die Vorteile des Wirtschaftens im Konzernverbund.

Das ist bei der Ele von großer Bedeutung mit Blick auf die Informationstechnik (IT). Die wird mit Hilfe von Innogy gerade aus der RWE-Welt ins Eon-Universum überführt. Experten schätzen, dass dieser Übergang bis zu sechs Jahre dauern kann. Müsste die Ele stattdessen im laufenden Betreib eine eigene IT aufbauen. hätte das „sehr negativen Einfluss auf das operative Geschäft und auf das Ergebnis“. Und wegbrechende Dividenden kann keiner der Gesellschafter wollen.

„Geschäftsschonender Übergang“

Deshalb waren sich alle vier Verhandlungspartner einig: Bei einer Aufstockung der Anteil sollte ein „möglichst geschäftsschonender Übergang“ erreicht werden. Deshalb wurden verschiedene Optionen verhandelt und mit Kaufpreisen ausgezeichnet. Und deshalb war das Motto der Verhandlungen nicht: Friss oder stirb, sondern: Leben und leben lassen.

Am Ende hat ein Vorschlag der drei Städte das Rennen gemacht. Im Kern geht er so: Wie wäre es denn, wenn die Städte die Anteilsmehrheit übernehmen, aber Innogy noch einige Jahre die Mehrheit der Stimmrechte behält? Die Ele könnte so mindestens für die Dauer des IT-Umbaus im Konzernverbund bleiben. Und Innogy zahlt den Städten eine Vergütung für die damit verbundenen wirtschaftlichen Vorteile.

Das letzte Angebot

Auf dieser Basis hat Innogy den Städten den Städten ein Angebot gemacht und gleichzeitig signalisiert: Das ist unser letztes Wort. Zum 1. Juli können die drei Kommunen für je 300.000 die Anteile übernehmen, die ihnen die Mehrheit bringt. Im Gegenzug zahlt Innogy jeder Kommune 1,6 Millionen Euro dafür, dass sie sich gemeinsam verpflichten, die damit verbundenen Stimmrechte sechs Jahre lang nach Vorgabe von Innogy auszuüben. Hübsche Dreingabe: Innogy garantiert während dieser sechs Jahre jeder Stadt wie vorher RWE eine jährliche Mindestdividende von 1,93 Millionen Euro vor Steuern.

Diesem Handel soll der Rat am kommenden Donnerstag zustimmen. Dafür haben sie auf dem Tisch: acht Seiten Kaufvertrag über die Ele-Anteile, zehn Seiten Vertrag über die Stimmrechtsbindung und 17 Seiten Rückblick auf die Verhandlungen unter dem Motto: Was bisher geschah. In Gladbeck hat der Finanzausschuss dem Deal schon zugestimmt, In Gelsenkirchen entscheidet der Rat ebenfalls am Donnerstag. Und dann fehlt noch ein letztes grünes Licht: vom Bundeskartellamt.

Der Energieversorger in Zahlen

Der Versorger Emscher Lippe Energie (Ele) hat im vergangenen Jahr mit 251 Mitarbeitern einen Umsatz von 343 Millionen Euro erwirtschaftet. Das Unternehmen versorgt rund eine Viertelmillion Privatkunden sowie rund 1000 Geschäftskunden mit Strom und Gas. Den Hauptumsatz (181 Millionen Euro) macht die Ele mit dem Stromgeschäft.