Bottrop. Nach einem Jahr Abstinenz hatte die Stadt ihren Karnevalshöhepunkt zurück. Es wurde gefeiert, auf den Wagen und auf den Straßen.
Dieser Druck ist vom Kessel: D’r Zoch kütt! Und 40.000 Jecken säumen die Straßen in der Innenstadt und feiern, was das Zeug hält. Nach der Abstinenz durch die zuglose letzte Session hat die Stadt ihren Rosenmontagszug wieder. Und selbst der angekündigte Regen fiel ins Wasser - die paar Tropfen zwischendurch verdünnen weder die Getränke des närrischen Fußvolks, noch trüben sie die Stimmung. Da sind sie! Fahnenträger, Standarte und Kapelle des Fanfaren-Korps Hervest markieren unübersehbar den Zugbeginn. Erste donnernde Helaurufe, Kamelle fliegen. Schon auf der Essener und der Peterstraße schunkeln viele in Dreier- und Viererreihen, bevor es an der Osterfelder Straße und dem Gleiwitzer Platz so richtig voll wird.
Tierkostüme waren „in“
Ein Trupp Mönche um einen Bierwagen mit angedeutetem Kirchturm ist schon in Stimmung. Die Zahl der kostümierten Besucher ist gefühlt größer als in früheren Jahren. Später taucht am Lamperfeld sogar ein Papst in weißer Soutane auf. Insgesamt scheinen die Kostümklassiker von einst aber auf dem Rückzug zu sein. Große Tiere sind dafür „in“: Bären, Elefanten, Wildkatzen aller Art schunkeln immer wieder am Zugweg. Und Piraten, bei Familie Günther sogar gleich im Dreierpack. „Das Kind möchte Pirat sein, also sind wir alle welche“, sagt Dunja Günther, und Ole (3) freut sich schon: „Gleich kommen die Karnevalswagen!“ Nicht nur für Kinder, sind sich Dunja und Dietmar Günther einig, ist es in Bottrop an Rosenmontag schöner als etwa in Köln – „da ist alles zu viel und zu groß“.
Ein Hingucker am Straßenrand sind in ihren hellblauen Jacken und Hüten samt gelben Schals auch die sechs Damen von den „Spritbacken“: „Wir sind der kleinste Karnevalsverein in Bottrop“, erzählen sie mit einem Augenzwinkern. Eine der Freundinnen, Birgit Schiller, reist sogar extra zum Feiern aus dem Emsland an. Und eine andere, Gabi Mrosek, hat längst ihre Tochter Annika (33) mit dem Karnevalsvirus infiziert. „Man muss einfach auch einmal fünf gerade sein lassen“, heißt es gut gelaunt aus der Runde.
Ob klein, ob groß – sie alle können heute fette Beute machen: Bälle, große Tüten mit Süßem, sogar kleine Spielzeuge prasseln auf die Menge, vor allem von den Wagen der Karnevalsgesellschaften. Immerhin 17 Wagen und 18 Fußgruppen sind mit von der Partie.
Die Grundschule als „Dschungel-Camp“
Wissenswertes über diese erfährt, wer direkt am Gleiwitzer Platz steht und den Moderatoren Marc André Czysch und Hans-Jürgen Feller lauscht. Wenn die beiden ehemaligen Präsidenten des Festkomitees nicht gerade mit den Jecken Helau-Rufe anstimmen, verraten sie Details. Etwa, dass es die Eigener Elfen der Kolpingsfamilie seit 25 Jahren gibt – sie aber wohl leider im nächsten Jahr nicht mehr dabei sein werden. Oder dass Stellkeswägg die älteste Karnevalsgesellschaft Bottrops ist, nämlich von 1881. Deren Präsident Frank Nowak gehört zu den Interview-Partnern, die Czysch sich einfach mitten aus dem Zug fischt.
„Hey, da kommt das Dschungel-Camp“, rufen ein paar Jugendliche, die bereits „vorgeglüht“ haben. Die Elternpflegschaft der Cyriakusschule hat tatsächlich – und erstmals – einen Wagen mit Palmen, Schlingpflanzen und natürlich mit viel tierischer Besetzung unter dem Motto durch den „Grundschul-Dschungel“ ins Karnevalsrennen geschickt. Ein Schriftzug dankt dabei der langjährigen und beliebten Schulleiterin Ursula Kraemer-Büscher. Die Samba-Trommler, die Plattdütschen, die Narren aus der Boy, Fuhlenbrock, die KKG: die Stimmung steigt.
Foto-Shooting mit der Polizei
Der Zug nimmt seinen Lauf Richtung Lamperfeld. Nach dem Moderationspunkt tut sich zwischen Prinzenwagen und Rest-Zug eine Lücke auf. Man könnte also zwischendurch schnell in die „Alten Stuben“ an der Ecke springen, dort glüht bereits der Grill, das Bierzelt ist belagert. Unten auf dem Lamperfeld gehen einige Hauspartys auf der Straße weiter. Schlagerbeschallung am offenen Fenster oder vor dem Haus, Bezirksbürgermeister Klaus Kalthoff winkt von seinem neuen Balkon den Zugteilnehmern zu. Die Straße ist dicht von feiernden Narren gesäumt. Die Polizei ist entspannt. Foto-Shooting mit einer kleinen rosa Prinzessin auf dem Polizeimotorrad. Auf einmal wollen ganz viele ein Selfie mit den Uniformierten.