Bottrop/Gelsenkirchen. Das Arbeitsgericht Gelsenkirchen erklärt Kündigungen der Kumpel des Bottroper Bergwerks Prosper-Haniel für unwirksam. Die RAG geht in Berufung.

Das Arbeitsgericht Gelsenkirchen weist die Kündigungen von Bergleuten des Bottroper Bergwerks Prosper-Haniel durch die RAG ab. Damit bleiben zwar die Arbeitsverhältnisse der Bergleute bestehen, weiterbeschäftigt werden sie vorerst allerdings nicht. Es habe keine echte Sozialauswahl stattgefunden, machte Arbeitsgerichtsdirektor Stefan Kröner während der Verhandlung die Haltung des Arbeitsgerichtes klar. Außerdem wies der Richter darauf hin, dass für den ausgehandelten Interessensausgleich der RAG-Gesamtbetriebsrat zuständig gewesen wäre. Am Verhandlungstisch hatte aber der Betriebsrat des Bergwerks Prosper-Haniel gesessen. Auch den Antrag der RAG auf Auflösung der Arbeitsverhältnisse wies das Gericht zurück.

Die RAG hatte die Kündigungen gegen die Bergleute zum 31. Dezember 2019 ausgesprochen. In Gelsenkirchen waren am Dienstagvormittag 13 von insgesamt mehr als 120 weiteren Klagen gegen die RAG verhandelt worden. Für weitere Verfahren sind bis Ende März sieben weitere Kammerverhandlungen terminiert. „Ein voller Sieg für die Bergleute“, freute sich Daniel Kuhlmann, der Anwalt, der die Bergleute vor Gericht vertrat. Die Kumpel errangen aber wohl nur einen Etappensieg. Denn das Arbeitsgericht geht davon aus, dass die RAG die nächsthöhere Rechtsinstanz anrufen wird. Das Unternehmen hat bereits angekündigt, in Berufung zu gehen. „Solange kein rechtskräftiges Urteil vorliegt, bleibt die Kündigung damit aufrechterhalten und entsprechend wird kein Gehalt gezahlt“, kündigte RAG-Sprecher Eike Strunk an. Er wies darauf hin, dass die RAG seit 1997 über 80.000 Arbeitsplätze sozialverträglich abgebaut habe, zum Beispiel auch durch Vorruhestandsregelungen.

Rund 100 Demonstranten protestierten vor dem Gericht gegen die Kündigungen

Auf Transparenten und Plakaten transportieren die Bergleute und Unterstützer ihre Botschaften.
Auf Transparenten und Plakaten transportieren die Bergleute und Unterstützer ihre Botschaften. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Vor Beginn der Verhandlung hatten am Dienstagmorgen rund 100 Bergleute, ihre Angehörigen und eine Reihe von Menschen demonstriert, die ihre Solidarität mit den Kumpeln zeigen wollten. Sie trugen Bergbauhelme, sangen Bergmannslieder und protestierten mit Transparenten und Fahnen gegen die Kündigungen. „Von wegen keiner fällt ins Bergfreie“, war auf dem größten Transparent zu lesen. Zuvor hatten gekündigte Kumpel vor dem Bottroper Bergwerk Prosper-Haniel vier Tage lang Mahnwachen gehalten.

Die RAG hatte die Kündigungen mit der Entscheidung begründet, das Bergwerk Prosper-Haniel als letztes deutsches Steinkohlenbergwerk insgesamt stillzulegen und keine Kohle mehr zu fördern. Dazu sollten alle Beschäftigten ausscheiden, entweder in die Anpassung, in andere RAG-Betriebe oder durch Jobvermittlungen auf den Arbeitsmarkt. „Die Arbeitsstellen, die die Kläger hatten, gibt es so nicht mehr“, bestätigte auch der Arbeitsrichter. Denn sie waren unter Tage in der Kohleförderung tätig. „Das wird es so nicht mehr geben“, unterstrich auch Richter Kröner. Die gekündigten Bergleute und Anwalt Kuhlmann argumentieren dagegen, dass es ja auch jetzt immer noch Arbeit im Bergbau gebe. „Man müsste die Drittfirmen, die jetzt tätig sind, doch nur abbestellen. Dann können die Mitarbeiter so lange eingesetzt werden, bis wirklich keine Arbeit mehr da ist“, sagte Kuhlmann. Die RAG erklärt dagegen, dass zurzeit nur Spezialunternehmen zum Einsatz kommen. Während das Unternehmen außerdem betont, dass die betroffenen Mitarbeiter noch bis Ende 2019 in eine Transfergesellschaft wechseln konnten, meint der Kumpel-Anwalt: „Der Wechsel für ein Jahr in eine Transfergesellschaft bringt doch nichts“.

Möglichst viele sollen Anpassungsgelder zur sozialen Abfederung erreichen

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Der RAG sei das Ziel vorgeben, den Abbau der Arbeitsplätze im Bergbau sozialverträglich zu gestalten. „Das war politischer Wille“, sagte Richter Krönen. Dabei gehe es auch darum, Mitarbeiter so lange in anderen Betrieben wie zum Beispiel dem Servicebetrieb für Technik und Logistikdienste (BT) weiterzubeschäftigen, bis sie beim Ausscheiden Anpassungsgeld zur sozialen Abfederung erhalten können. Maßstab für den Wechsel in andere Betriebe sei es allein gewesen, ob die Beschäftigten diese Schwelle in absehbarer Zeit erreichen können. Weil bei dem Interessensausgleich zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite und den dabei ausgehandelten Namenslisten aber mehrere RAG-Betriebe eine Rolle spielten, gehe dies über die Kompetenz des Betriebsrates von Prosper-Haniel hinaus. Ansprechpartner hätte der RAG-Gesamtbetriebsrat sein müssen.

Die von der RAG gekündigten Bergleute hätten aber nicht mehr weiterbeschäftigt werden können, bis sie die Schwelle zum Anpassungsgeld erreichen. Abhängig ist das vom Geburtsjahr des jeweiligen Beschäftigten und der Anzahl seiner Betriebsjahre. Der Versuch der RAG, solchen Mitarbeitern durch Job-Vermittlungen oder Förderprogrammen Arbeitsplätze außerhalb der RAG zu vermitteln, habe „nicht richtig hingehauen“, merkte auch der Richter an.

Eine Abfindung steht den Kumpeln aus Sicht des Richters auf jeden Fall zu

Der Versuch der RAG, möglichst vielen Kumpeln ein Anpassungsgeld zukommen zu lassen, verhindere aber keine Sozialauswahl, selbst wenn diese zum Nachteil der Mitarbeiter ausfallen würde, die noch auf Anpassungsgelder hoffen können. „Das Gesetz sieht das so nicht vor“, sagte Kröner. Die Kündigungen der Bergleute seien sozialwidrig, weil die RAG es versäumt habe, eine soziale Auswahl zwischen den gekündigten und den weiterbeschäftigten Mitarbeitern zu treffen, befand der Arbeitsrichter.

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„Eine Sozialplan-Abfindung würde den Klägern auf jeden Fall zustehen“, machte der Richter seine Sicht klar. Über die Höhe möglicher Abfindungsangebote sind sich RAG-Vertreter und Bergleute-Anwalt allerdings bei weitem nicht einig, wurde während der Gerichtsverhandlung deutlich. Eine Weiterbeschäftigung der Kläger sei der RAG nicht zumutbar, sagte der Arbeitsrichter. Dann könnten womöglich weit über 200 Mitarbeiter per Zwangsvollstreckung ihre Beschäftigung durch setzen. Das hätte eine Überbelegung der Belegschaft zur Folge, von der zu viele andere Beschäftige betroffen wären.