Bottrop. Vor einem Jahr endete offiziell der Bergbau in Bottrop. Nun beginnt die Verfüllung der Schächte, doch dafür waren viele Vorarbeiten nötig.
Am Samstag ist es genau ein Jahr her, dass Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier den letzten Brocken Kohle entgegen genommen hat. Jetzt kommt endgültig der Deckel auf den Pütt. Ab Montag wird der Schacht in Grafenwald verfüllt, schon seit Donnerstag laufen die Betonpumpen am Schacht 10 am Alten Postweg. Denn hier läuft die Verfüllung etwas anders.
Hier wird nicht der gesamte Schacht bis in 1200 Meter Tiefe mit Beton vollgegossen. Stattdessen haben die Bergleute in 558 Metern ein Gerüst aufgebaut, die sogenannte Schalungsbrücke. Bis hierhin stürzt der Beton in die Tiefe. Am Donnerstagnachmittag bereits wurde die Betonpumpe angeworfen, und die erste Ladung rauschte über Rohrleitungen hinab. Denn anders als in Grafenwald wird hier zunächst hochfester Beton genutzt. Er bildet dann einen festen Pfropfen, auf dem später der normale Beton landet. Der stürzt dann mittels Förderband in den Schacht.
Grubenwehr hat die Strecken ein letztes Mal abgelaufen und kontrolliert
In Grafenwald dagegen wird der gesamte Schacht bis in 1000 Meter Tiefe mit Beton verfüllt, dort geht es Montag los. 55.000 Tonnen Sand aus der Heide wurden dafür nach Grafenwald gefahren, am Alten Postweg sind es 33.000 Tonnen.
Gegen 11.30 Uhr kam die Nachricht „Grube geräumt“, erläutert Michael Sagenschneider, der Sprecher des Bergwerks. Für die Mitarbeiter das Signal, dass somit eigentlich die Verfüllung der Schächte beginnen kann. Zuvor hatte die Grubenwehr die 27 Kilometer Strecke unter Tage noch einmal abgelaufen. Vergleichbar mit einem letzten Gang durchs Haus bei einem Umzug. Mit dem Unterschied, dass hier nie wieder jemand herkommen wird. Letzte Telefone oder Feuerlöscher, die bis zum Schluss in Gebrauch waren, wurden eingesammelt, seither ist wahrlich Schicht.
Material aus Bottrop wurde verkauft, verschrottet oder für Muessen zurück gelegt
„Bis auf rund acht Kilometer Strecke im Dreieck um Prosper-Haniel im Fuhlenbrock haben wir jetzt all unsere Strecken abgeworfen“, erläutert Sagenschneider. Das ganze vergangene Jahr seit dem offiziellen Ende und auch schon in den Wochen zuvor wurde unter Tage zurück gebaut – geraubt, wie der Bergmann sagt. Tonnenweise wurden Kabel, Material und Maschinen ans Tageslicht befördert, verkauft, verschrottet oder auch für Museen zurück gelegt. So wie die Barbara-Statuen die auf den Sohlen standen. Sie kommen ins Haus der Geschichte, ins Bergbaumuseum und eine auch ins Knappschaftskrankenhaus. Außerdem wurden unter Tage dicke Betonrohre verlegt. Sie sollen das Grubenwasser ableiten – und zwar auch dann noch, wenn der Druck die Strecken zum Einsturz bringt.
Im Laufe des Jahres wurde das Grubengebäude Schritt für Schritt verkleinert, immer mehr Strecken wurden abgeworfen. Mit Dämmen haben die Mitarbeiter diese Abschnitte vom Rest der Grube abgetrennt, so dass sie nicht mehr zugänglich sind. Wenn man so will, wurden sie zugemauert.
Die Kaue für 1000 Mitarbeiter in der Kirchheller Heide ist verwaist
Nun ist es am Schacht 10 in der Kirchheller Heide auch über Tage still. Noch 60 Schichten würden hier am Tag geleistet, sagt Sagenschneider, die übrigen Mitarbeiter sind schon zu Hause, in Anpassung und Freizeit. „Zum Jahreswechsel sind wir dann auf Null.“ Mittlerweile ist auch die größte Kaue des Bergwerks dicht. Die wenigen Mitarbeiter, die noch da sind, nutzen die Direktionskaue.
Die große Umkleide, in der rund 1000 Mitarbeiter Platz hatten, ist dagegen verwaist. Unter der Decke baumeln die leeren Körbe, in denen die Bergleute ihre Kleidung aufbewahrt haben. Die Schritte hallen durch den großen gefliesten Raum, die Uhr ist stehen geblieben, zeigt halb Sechs an. Im Hintergrund rauscht eine Dusche. Sagenschneider: „Wir entnehmen hier immer etwas Wasser, weil das Ganze hier ein System ist und wir verhindern wollen, dass sich Legionellen bilden.“ Es sei schon ein komisches Gefühl, denn: „Hier war ja rund um die Uhr Betrieb, egal wann man hier hinkam, irgendwer war da.“
Fotos der Bergwerksgeschichte sind digitalisiert
An den Wänden der langen Gänge hängen noch zahlreiche Fotos aus der Geschichte des Bergwerks. Sie zeigen prominente Besucher, die hier eingefahren sind. Fußballprofis von Schalke und dem BVB, Ministerpräsidenten, Minister, Kanzlerkandidaten, die Liste ist lang. Was mit den gerahmten Bildern passiert? Das weiß noch niemand. „Aber wir haben all diese Fotos auch digitalisiert, damit nichts von der Geschichte verloren geht“, sagt Sagenschneider.
Auch interessant
Draußen am Schacht sind dann auch die letzten Arbeiten abgeschlossen. Der Behelfskorb hat seine letzte Fahrt hinter sich gebracht – der große Korb wurde schon im Oktober verschrottet. Die Verfüllung übernehmen die Spezialisten von Thyssen Schachtbau, Sascha Inkermann ist schichtführende Aufsicht. So einen Pütt für immer zu verschließen sei keine leichte Aufgabe. „Es ist ja nicht das erste Mal. Aber es ist kein schönes Gefühl, wenn man weiß, dass nach einem nie wieder jemand das Grubengebäude befahren kann.“
Der emotionale Abschied vom Bergbau