Ein Besuch in Merseburg verändert das Leben des Bottropers Klaus Koschut. Er und seine Frau werden „das erste Traumpaar der Partnerstädte“.
Der Fall der Mauer vor 30 Jahren – für den Bottroper Klaus Koschut wird dieses historische Datum immer auch eine ganz private Erinnerung beinhalten. Hätte er doch ohne die Wiedervereinigung nie seine heutige Frau kennen gelernt, und sein Leben wäre wohl ganz anderes verlaufen. So aber war die Hochzeit des Bottropers Klaus Koschut und der Merseburgerin Daniela Hillmann im Jahr 1995 die erste zwischen den beiden Partnerstädten Bottrop und Merseburg. „Das erste Traumpaar der Partnerstädte“ titelte die WAZ dazu (s. Foto ganz unten). Selbst der damalige Oberstadtdirektor Ernst Löchelt war bei der Feier dabei.
Aber der Reihe nach: Den Mauerfall, so berichtet Klaus Koschut, habe er in Polen erlebt. Auf der Rückfahrt sei ihm dann die spontane Idee gekommen, der Bottroper Partnerstadt Merseburg einen Besuch abzustatten. „Ich war neugierig“, sagt der 58-Jährige heute im Rückblick. In seiner Erinnerung war die Euphorie in Merseburg damals gar nicht so groß. „In Berlin war es das große Ereignis schlechthin, und auch in den größeren Städten war mehr los als in einem Provinzstädtchen wie Merseburg.“
Gefunkt hat es in der Nacht der Währungsumstellung auf die D-Mark
Trotzdem lässt ihn Merseburg nicht mehr los, regelmäßig stattet er von da an der Partnerstadt Besuche ab. Obwohl sie mit dem heutigen Stadtbild noch gar nichts gemein hatte. Im Gegenteil: „Gegenüber Merseburg war das Ruhrgebiet damals eine Kurstadt“, erinnert sich Koschut. Trotzdem ist er immer wieder da und lernt im Januar auch seine Zukünftige kennen. Wobei: Gefunkt habe es erst später, gibt er zu. An das Datum erinnert er sich noch genau, es war die Nacht der Währungsumstellung. „Das war am 30. Juni, die Nacht der Währungs- und Wirtschaftsunion.“ Da wurde in der Stadt kräftig gefeiert und da lernte der Bottroper dann auch seine Zukünftige kennen. Dass es letztlich für ihn ein Umzug von Bottrop nach Merseburg bedeuten würde, war da noch nicht absehbar.
„Wir haben anfangs erst einmal eine Wochenendbeziehung geführt.“ Heute kann man aber wohl sagen, dass es eine Wochenendbeziehung unter erschwerten Bedingungen war. Rund zehn Stunden habe damals die Fahrt von Bottrop nach Merseburg gedauert, sagt Koschut. Autobahnverbindungen habe es so gut wie keine gegeben. „Ich hatte die Wahl, über Berlin und Magdeburg zu fahren oder aber über Kassel und dann ,querfeldein’“. Kommt er heute zu Besuch in die alte Heimat, dann schaffe er die gut 500 Kilometer in etwa dreieinhalb Stunden – dank der neuen Autobahnen. Auch Telefonate waren nahezu unmöglich. „Es gab vielleicht 20 bis 30 Telefonanschlüsse in der Stadt.“
Koschuts Mutter hatte Sorge, dass die Mauer wieder aufgebaut wird
Doch wie war das damals, als der Entschluss fiel, nach Merseburg zu ziehen? Seinen Großhandel für Friseurbedarf, den Koschut damals in Bottrop führt, übergibt er zunächst an seinen Vater. „Meine Mutter hat immer gesagt: ,Überleg’s Dir gut, Junge. Nicht dass die die Mauer wieder aufbauen und dann stehst Du da.’“
Davon geht Klaus Koschut nicht aus und bezieht dann seine erste Wohnung im Osten. Ein Kulturschock: „Zur Toilette musste ich damals noch über den Hof gehen.“ Doch das hat sich geändert. Längst ist Merseburg ein schmuckes Städtchen geworden. Eine Entwicklung, die Koschut genau verfolgt hat. „Das so schnell der West-Standard erreicht wurde, damit hätte ich nicht gerechnet.“ Er selbst baut sich in Merseburg eine Existenz auf, führt viele Jahre lang ein Bauunternehmen. Inzwischen betreiben seine Frau und er eine Pension – direkt in der Nähe des Schlosses.
Ehefrau Daniela war in Merseburg verwurzelt
Wobei es anfangs durchaus auch mal Überlegungen gab, wieder zurück nach Bottrop zu gehen. Aber seine Frau war in Merseburg verwurzelt, und spätestens mit der Geburt der ersten Tochter und dem Kauf des Eigenheims waren diese Überlegungen obsolet. Und bereut hat er es nie: „Wir haben in den Jahren drei gemeinsame Kinder großgezogen. Unsere älteste Tochter Wiebke ist eine recht erfolgreiche Sängerin geworden. Seit drei Jahren ist sie die Nachfolgerin von Peter Maffays Lebensgefährtin Hendrikje Balsmeyer in der Band ,Joe Eimer’. Auch die zwei Jüngsten haben Ihren Lebensmittelpunkt hier in Merseburg. Somit werden auch wir hier in Merseburg alt werden. Allerdings ist und bleibt Bottrop meine Heimat, die ich ab und an immer besuchen werde.“
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Für Klaus Koschut also war der Mauerfall am 9. November vor 30 Jahren ein persönlicher Glücksfall, der seinem Leben eine ganz neue Richtung gab. Doch wie bewertet er die Einheit an sich? „Es ist eine Erfolgsgeschichte. Wenn ich die letzten 30 Jahre Revue passieren lasse und die Entwicklung auch hier in Merseburg sehe, dann ist die Wiedervereinigung ein Erfolg.“ Inzwischen, so seine Beobachtung, zögen auch viele Menschen aus dem Westen in den Osten. Bis vor zehn Jahren sei die Arbeitslosigkeit in Merseburg noch verhältnismäßig hoch gewesen. Inzwischen aber habe sich das geändert, es gebe einen großen Bedarf an Arbeitskräften. „Ich weiß aber auch, dass die Wiedervereinigung im Westen teilweise anders gesehen wird, dass dort allein die Kosten gesehen werden. Das ist sehr traurig.“