Bottrop. In Bottrop gibt es mehr Krebsfälle als im NRW-Schnitt. Liegt das an hohen Werten für krebserregende Stoffe? Das will die Stadt vom Land wissen.

Die Landesregierung soll eine wissenschaftliche Studie für die südlichen Bottroper Stadtteile in die Wege leiten, in der die Krebshäufigkeit untersucht wird. Darum bittet SPD-Ratsfrau Renate Palberg in einem Schreiben an NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser (CDU). Auch Oberbürgermeister Bernd Tischler hatte einen solchen Appell bereits an die Umweltministerin gerichtet. Die Vorsitzende des Bottroper Gesundheitsausschusses fragt in ihrem Brief nun auch nach einer Bewertung der möglichen Ursachen der erhöhten Krebshäufigkeit in Bottrop.

Renate Palberg weist das Umweltministerium parteiübergreifend im Namen aller Ratsparteien auf die erhöhten Werte für den krebsverursachenden Schadstoff Benzo(a)pyren im Bottroper Süden hin. Dies habe bei den Bürgern Sorgen um ihre Gesundheit ausgelöst. Im Zentrum der Diskussionen stehe die Kokerei Prosper. Gegen sie richtet sich der Verdacht, Verursacherin der erhöhten Schadstoffwerte zu sein. „Dabei wurde deutlich, dass die bisherigen Maßnahmen der Kokerei immer noch nicht dazu geführt haben, dass die Emissionen mit dem gesundheitsgefährdenden, krebsverursachenden Benzo(a)pyren reduziert werden konnten“, hält die Ratsfrau in ihrem Schreiben fest. So liegen die Schadstoffwerte auf im ersten Halbjahr 2019 über dem Zielwert von 1 ng/m3 und es treten wiederholt Tagesspitzenwerte bis zu 25 ng/m3 auf, berichtet sie.

Die Angst der Bürger vor Gesundheitsgefahren nimmt zu

„Die Sorge vor einer latenten gesundheitlichen Gefährdung ist bei der Bevölkerung im Umfeld der Kokerei groß“, begründet Renate Palberg ihren Vorstoß. Beträchtliche Teile der Bevölkerung fühlten sich nicht angemessen wahrgenommen und auch nicht ernst genommen. „Die mögliche gesundheitliche Beeinträchtigung von Bottroper Bürgern ist unverändert ein Thema von großer Bedeutung und Brisanz“, fasst die Vorsitzende des Gesundheitsausschusses daher zusammen, und sie macht klar: Auch bei den Ratsvertretern nehmen die Zweifel am Vorgehen der Kokerei, aber auch der übergeordneten Aufsichtsbehörden zu.

Es sei in der Tat auch so, dass die Krebsrate in Bottrop über dem Landesdurchschnitt liege, bestätigt Gesundheitsamtsleiter Christian Marga. So weist das Landeskrebsregister für den Zeitraum bis 2015 aus: Die Zahl der pro Jahr neu erkannten Krebserkrankungen lag in einem Zehnjahreszeitraum bei Männern in Bottrop jedes Jahr deutlich über dem Durchschnitt in NRW. Die Krebsrate bei Frauen war in den Jahren 2009 sowie 2011 und dann wieder 2013 und 2014 überdurchschnittlich hoch. „Das ist aber nicht etwas Spezifisches allein für Bottrop“, macht der Mediziner klar. Auch in anderen Ruhrgebietsstädten liege die Krebsrate über dem NRW-Durchschnitt.

Ursachen für höhere Krebsraten lassen sich aus Statistik nicht ableiten

Aussagen über die Krebsrate in einzelnen Stadtteilen lassen sich aus dieser Statistik aber ebenso wenig ableiten wie eindeutige Ursachen für die erhöhten Krebsraten. „Das liegt immer an vielen Faktoren. Man kann aus einer solchen Statistik keine Kausalzusammenhänge ableiten“, betonte der Leiter des Gesundheitsamtes. Erfasst werden Krebszahlen außerdem jeweils nur für die gesamten Stadtgebiete, nicht für einzelne Stadtteile. Detailanalysen in einzelnen Bereichen der Stadt könnten aber zeigen, ob sich die Krebsraten voneinander unterscheiden. „Auch das ist aber keine kausale Erklärung“, betont Christian Marga.

Auch das Gesundheitsamt hat aber an das Landesumweltministerium herangetragen, im Rahmen einer wissenschaftlichen Studie sogenannte Biomonitoring-Untersuchungen vornehmen zu lassen, mit denen Bevölkerungsgruppen auf ihre Belastung mit Schadstoffen aus der Umwelt untersucht werden können. Denn, so betont der Leiter des Bottroper Gesundheitsamtes: „Es ist wichtig, dass man die Sorgen und Ängste der Bürger ernst nimmt“.

Bestimmung der individuellen Belastung

Das Human-Biomonitoring ist eine Methode, mit der Bevölkerungsgruppen auf ihre Belastung mit Schadstoffen aus der Umwelt überprüft werden können. Dabei werden zum Beispiel Körperflüssigkeiten oder Gewebe untersucht, erklärt das Umweltbundesamt. Der Vorteil des Human-Biomonitoring liegt danach darin, dass die tatsächliche innere Belastung eines Organismus, die aus verschiedenen Quellen stammen können und auch über verschiedene Wege wie Atemwege, Mund oder Haut aufgenommen wurden, erfasst werden können.

Im Gegensatz dazu lässt sich anhand von Umweltmessdaten die individuelle Belastung eines Menschen nicht exakt angeben.