Bottrop. Jürgen Kursawa gibt in der Liebfrauenkirche ein technisch wie dramaturgisch meisterliches Gastspiel - und fordert, Kirche und Orgel zu erhalten.

Jürgen Kursawa gehört zu den Gastsolisten, die die große Seifert-Orgel in Liebfrauen seit der Restaurierung und behutsamem Umbau von Grund auf kennen. So wählte der frühere Essener Domorganist und heutige Direktor des Kirchenmusikinstituts an der Düsseldorfer Robert-Schumann-Hochschule für das vierte der Sommerlichen Orgelkonzerte nun ein Programm, dem die Disposition des großen spätromantischen Instrument ideal entgegen kommt.

Jürgen Kursawa lotete die Möglichkeiten der Seifert-Orgel in Liebfrauen bis an die Grenzen aus.
Jürgen Kursawa lotete die Möglichkeiten der Seifert-Orgel in Liebfrauen bis an die Grenzen aus. © JK

Mit dem zweiten der drei Orgelchoräle von César Franck führt der gebürtige Bottroper gleichsam zu Wurzeln der späteren französischen Orgelsymphonik eines Widor oder Vierne und damit auch zum Kernrepertoire eines Konzertorganisten. Kursawa spielt in dem h-Moll Choral nicht nur mit den dynamischen Steigerungsmöglichkeiten, sondern vor allem auch mit den reichen Möglichkeiten klanglicher Farbgebung der Liebfrauenorgel. Francks kompliziertes Gewebe mit zahlreichen Anklängen an alte Formen wie Passacaglia, Fuge oder Kontrapunkt entwickelt Kursawa stringent, zwingend und trotz üppigen Sounds stets durchhörbar - was übrigens auch für Francks Präludium, Fuge und Variation h-Moll op. 18 gilt.

Hell-Dunkel-Malerei auf der Orgel

Zwischen dem Franck-Block und Siegfried Karg-Elerts imposantem Schlussakkord, dem Symphonischen Choral „Jesu, meine Freude“, wirkt Mendelssohns D-Dur Orgelsonate trotz des einleitenden choralartigen Andantes beinahe verspielt-fragil, fast wie ein flüchtiges Pastell zwischen pompöser Säulenarchitektur. Dieser Prunkcharakter haftet Karg-Elerts Werken vordergründig an. Wer aber dieser Fantasie über das textstarke protestantische Kirchenlied nachspürt, fühlt sich sogleich an die grandiose Hell-Dunkel-Malerei alter Meister nur in musikalischer Farbigkeit erinnert. Wie aus zwielichtiger Dämmerung steigen in langsamen Crescendo die Klänge empor. Dazwischen leuchten immer wieder Melodiefetzen des Chorals auf.

Die dramatischen Trillerketten nimmt Jürgen Kursawa spielerisch virtuos. Bruchlos gelingen die Übergänge zwischen den Registerfarben, dank Einsatzes zweier Schweller erreicht der Solist mühelos einen beinahe raumplastischen Klangeffekt, die nötigen dramatische Staffelungen, fast wie in einem akustischen Bühnenbild. Textteile wie „Mag die Höll’ auch wüten“ oder das abschließende „Weicht, ihr Trauergeister“ leuchten ebenso tonmalerisch wie virtuos auf. Fugen- und Choralthema arbeitet Kursawa plastisch heraus. Hochdramatisch, dennoch diszipliniert treibt der Professor das große Instrument an seine Grenzen bis zum bombastischen Schlusseffekt im Pedal, lässt es aber auch im Plenum nie „schreien“. Technisch wie dramaturgisch ein meisterlicher Abend, zu dem auch einige Studierende aus Düsseldorf angereist waren. Erklang meditativ aus mit einer Zugabe auf der kleinen Postill-Orgel im Chor.

Es gibt wenige Instrumente in der Region, die eine Wiedergabe dieses Repertoires angemessen möglich machen. So bleibt auch der Satz von Jürgen Kursawa im Ohr: „Mögen diese Kirche und ihre Orgel lange erhalten bleiben.“