Bottrop. Im studentischen Ingenieurbüro MeHRWatt arbeiten Projektteams je ein Semester lang an realen Aufgabenstellungen. Gute Vorbereitung aufs Jobleben.

MeHRWatt heißt das studentische Ingenieurbüro an der Hochschule Ruhr West vielsagend, und ein Mehr an Energie und Leistung wird den Studierenden dort auch abverlangt. Denn die Idee dahinter ist, in einem studentischen Büro die Arbeit eines realen Ingenieurbüros abzubilden.

Dazu steht den Studierenden ein Raum zur Verfügung samt einer Ausstattung unter anderem mit PC-Arbeitsplätzen und kleiner Bibliothek. Und eine Chefin haben sie auch: Professor Dr. Sylvia Schädlich, Lehrgebiet Angewandte Thermodynamik.

Studenten verteilen Fragebögen, führen Messungen durch, recherchieren

„In meinem eigenen Ingenieurbüro habe ich gemerkt, dass es bei den jungen Leuten oft daran fehlt, selbstständig zu arbeiten“, sagt Schädlich. Genau das üben sie in Projektteams jeweils ein Semester lang, und ihre jeweiligen Herausforderungen kommen aus dem echten Leben. „Zum größten Teil stammt die Aufgabenstellung vom Facility Management der HRW“, so Schädlich. Die Gebäude der jungen Hochschule sind noch nicht so alt, der Campus Bottrop wurde 2014, der in Mülheim 2016 bezogen.

Hier geht es zum studentischen Ingenieurbüro an der HRW.
Hier geht es zum studentischen Ingenieurbüro an der HRW. © Funke Foto Services GmbH | Joachim Kleine-Büning

Maja Mendera (21) erzählt von der Aufgabe ihrer Projektgruppe: „Es ging um das Gebäude 5 in Mülheim, das ausschließlich über die Klimatisierung belüftet und temperiert wird“, sagt die Studentin der Energie- und Umwelttechnik. Allerdings übten die Nutzer Kritik an Temperatur und Luftqualität. Zwar hatte das Facility Management schon Maßnahmen ergriffen, doch die Studierenden sollten Anlage und Nutzerverhalten nun von Grund auf untersuchen. Die Projektgruppe verteilte beispielsweise Fragebögen, führte Messungen durch, studierte Pläne. Eine praktische Arbeit.

Wertvolle Arbeit für das Facility Management

Die von Johannes Schnieders (24) und seiner Truppe war theoretischer. „Es ging um die Hygiene in raumlufttechnischen Anlagen, speziell für die Kühltürme in Mülheim“, sagt der Student des Fachs Wirtschaftsingenieurwesen Energiesysteme. Da wurde etwa geschaut, was gibt es für Normen und gesetzliche Anforderungen, welche Maßnahmen sind wichtig gegen Legionellen. „Da sind hunderte Seiten zu studieren“, so Schädlich – somit leiste die Projektgruppe wertvolle Arbeit für das Facility Management, das den Anspruch habe, alles genau zu wissen und sich nicht nur auf Dienstleister zu verlassen.

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„Die Erkenntnis, dass man eine Aufgabe, von der man vielleicht glaubt überfordert zu sein, im Team schafft, stärkt für den Beruf“, ist Schädlich überzeugt. Mit ihr klären die Projektteams Fragen beim regelmäßigen Jour Fix. Überhaupt wird vieles geübt, was später im Job gefordert wird. Wie die Planung der Projekt-Stunden. „Anfangs wird überlegt: 180 Arbeitsstunden stehen zur Verfügung. Wie teile ich die auf die Arbeitspakete auf?“, so Schädlich. „Wenn ich merke: Ich habe 100 Stunden für die Recherche angesetzt, bin nach 70 Stunden aber noch nicht sehr weit, muss ich Gas geben.“ Die Stundenfrage sei schließlich existenziell, wenn es später um Geld geht. „Wenn man mehr Stunden als vorgesehen braucht, muss man das dem Auftraggeber erklären.“

Studenten präsentieren die gefundenen Lösungen

Am Ende steht nicht nur die Präsentation der gefundenen Lösungen. Die Studierenden fertigen auch Reflexionen an, etwa darüber, wie sie ihre Position in der Gruppe beurteilen oder was sie gelernt haben. Letzten Endes geht es um die Frage: Können sie sich vorstellen, später in einem Ingenieurbüro zu arbeiten?

Johannes hat gelernt, dass es sich lohnt, mehr Zeit in eine gute Planung zu investieren. „Das hilft nachher, effektiv zu sein.“ Bei der Teamarbeit sei es wichtig, sich gut abzusprechen. „Es macht Sinn, Protokolle zu schreiben und Dinge schriftlich festzuzurren, um sich später darauf zu berufen.“ Er möchte noch mehr Erfahrungen sammeln, bevor er sich für oder gegen die Arbeit in einem Ingenieurbüro entscheidet.

„Ich könnte mir das vorstellen und überlege, das in meinem Praxissemester auszuprobieren“, so Maja. Sie mag es, den Projektfortschritt beobachten zu können. Gelernt hat sie bei MeHRWatt unter anderem: „Es ist wichtig, einen Plan B in der Tasche zu haben. Und dass man Zeit einplant, falls Dinge schief gehen.“

Gründung im Jahr 2015

Den Anstoß für das studentische Ingenieurbüro, das seit dem Jahr 2015 besteht, gab damals die wissenschaftliche Mitarbeiterin Nele Rumler. „Sie arbeitet heute in einem Ingenieurbüro in Bremen“, berichtet Prof. Dr. Sylvia Schädlich.

Die Mitarbeit bei MeHRWatt wird ab dem 4. Semester als Wahlmodul angeboten. Je nach der Anzahl der Teilnehmer werden Projektteams gebildet. Eine wissenschaftliche Mitarbeiterin unterstützt beim Zugang zur Gebäudetechnik.

Neben Aufgabenstellungen aus dem Facility Management werden auch Sonderprojekte verfolgt. So hat eine Gruppe mit der Entwicklung eines Wasserfilters für ein Projekt in Kenia den 5. Platz bei der bundesweiten Challenge „Ingenieure ohne Grenzen 2019“ gemacht. „Diese Challenge wird es im nächsten Semester wieder geben“, kündigt Sylvia Schädlich an.