Bottrop / Gladbeck / Recklinhausen. . Bei der Polizei Recklinghausen gibt es eine Abteilung für Opferschutz. Die Mitarbeiter bieten Opfern Hilfe an. Hier erzählen sie von ihrer Arbeit
Marion Bednarz’ Tag beginnt immer mit einem Blick ins Computerpogramm, das ihr die Fälle häuslicher Gewalt ausspuckt. Als Sachbearbeiterin im Opferschutz der Polizei Recklinghausen ist sie unter anderem zuständig für Bottrop und Gladbeck. Ein Großteil der Opfer, mit denen sie Kontakt hat, hat zu Hause Gewalt erlebt.
„Wir nehmen Kontakt zu allen Opfern auf, entweder telefonisch oder – wenn wir niemanden erreichen – per Brief“, erklärt sie. Jedes Opfer bekomme Hilfe angeboten. „Ob die angenommen wird, muss jeder selbst entscheiden.“ Insgesamt drei Mitarbeiter sind im Kommissariat Prävention und Opferschutz der Polizei Recklinghausen für den Opferschutz zuständig.
Betreuung erfolgt ganz nach dem persönlichen Bedarf
Sie betreuen – je nach Bedarf – jeden, der Opfer eines Verbrechens wurde. Das reicht von Menschen, deren Angehörige ermordet wurden, bis zu denjenigen, die Opfer von Einbrechern wurden. Denn jeder Mensch reagiere unterschiedlich auf ein Verbrechen, sagen Marion Bednarz und ihre Kollegin, die Opferschutzbeauftragte Ingeborg Friedrich.
Gerade bei einem Einbruch: Manch einer schüttelt eine solche Erfahrung einfach ab, andere dagegen haben mit der Verletzung ihrer Intimsphäre richtig zu kämpfen. Dann können die Opferschutzbeauftragten der Polizei auch Hilfe vermitteln, etwa bei psychologischen Beratungsstellen oder Trauma-Ambulanzen.
Immer mehr Männer sind Opfer häuslicher Gewalt
Marion Bednarz hat ein ganzes Netzwerk, mit dem sie zusammenarbeitet, darunter Frauenberatungsstellen, der Weiße Ring, Frauenhäuser, die Kinder- und Jugendpsychiatrie in Marl oder auch die LWL-Kliniken in Essen, Bochum, Herten und Dortmund. Der Opferschutz arbeitet aber auch mit der Krisenberatungsstelle für Männer der Caritas Herten zusammen. Das sei die einzige Stelle dieser Art im gesamten Kreis Recklinghausen.
Denn die Erfahrungen, die die Opferschützer machen: Es würden auch immer mehr Männer Opfer von häuslicher Gewalt – etwa in homosexuellen Beziehungen, aber auch, weil Frauen zuschlagen. Überhaupt sei häusliche Gewalt vielschichtig, sagt Marion Bednarz. Da gebe es den Mann, der seine Frau schlägt, aber es gibt auch Eltern, die gegen ihre Kinder Gewalt anwenden und umgekehrt. Sind Kinder beteiligt, schalten die Opferschützer immer das Jugendamt ein.
Auch persönliche Beratungen sind möglich
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„Ich beschreibe meine Arbeit immer als eine Art Netzknotenpunkt“, erklärt die Opferschutzbeauftragte. Sie und ihre beiden Kolleginnen übernehmen in der Regel den ersten Kontakt und bieten dann weitere Hilfe an. Aber Opfer können auch persönliche Beratungen in Anspruch nehmen. Doch das komme so häufig gar nicht vor. 158 Fälle häuslicher Gewalt zählte die Statistik im Jahr 2018 in Bottrop. Daraus resultierten 30 persönliche Beratungen.
Manche Opfer lehnten Hilfe aus den unterschiedlichsten Gründen ab, so die Erfahrung der Kriminalhauptkommissarin. Das zu akzeptieren habe sie anfangs erst lernen müssen, gibt sie zu. Inzwischen arbeitet sie seit 15 Jahren im Opferschutz, doch vorher war sie im Einsatz bei der Schutzpolizei – hat also im Zweifel bei Fällen von häuslicher Gewalt den Täter vor die Tür gesetzt.
Amokfahrt in der Silvesternacht in Bottrop
Überhaupt gebe es viele Situationen, in denen Menschen zu Opfern werden können und Hilfe benötigen. Marion Bednarz erinnert an die Amokfahrt in der Silvesternacht auf dem Berliner Platz in Bottrop. Zu den Opfern, die Hilfe benötigten, gehörten auch Zeugen, die die Fahrt und den Angriff auf die Menschen beobachtet haben. „Am Ende hatten wir Kontakt zu 37 Menschen“, sagt Ingeborg Friedrich.
Der Beruf ist für die Kriminalhauptkommissarinnen nicht immer einfach. Sie zum Beispiel steige nicht mehr in ein Flugzeug, sagt Marion Bednarz. Grund dafür: der Absturz der Germanwings-Maschine 2015. Der Co-Pilot hatte die Maschine an einem Berg in Frankreich zerschellen lassen, unter den Opfern waren auch viele Schüler aus Haltern. Auch deren Angehörige haben die Opferschutzbeauftragten unterstützt.
Berater klären Opfer über ihre Rechte auf
Der Opferschutz ist mit den Jahren immer wichtiger geworden. „Auch wenn sich viele Opfer auch heute noch immer allein gelassen fühlen“, berichtet Marion Bednarz. Seit 1994 gibt es die Dienststelle, und man sei auf einem guten Weg, die Opfer zu stärken und in den Vordergrund zu stellen.
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Dazu gehöre auch, sie über die verschiedensten Angebote und Rechte aufzuklären. So könnten auch Opfer besonders schwerer Straftaten wie sexueller Missbrauch, Vergewaltigung, Mord oder Totschlag auf Antrag einen Anwalt vom Staat bezahlt bekommen – ähnlich wie Täter in manchen Fällen einen Pflichtverteidiger bekommen.
Mitarbeiterinnen helfen Hilfe auch bei Anträgen
Bei den entsprechenden Anträgen unterstützen die Opferschützer auch, dasselbe gilt bei Hilfen etwa nach dem Opferentschädigungsgesetzt. Das regelt unter anderem, wer Kosten etwa für Behandlungen übernimmt. „Ziel dieses Gesetzes ist es, dass Opfer alles erhalten was sie brauchen, um wieder so zu genesen wie vor der Tat“, erklärt Ingeborg Friedrich.