Bottrop. . 194 Hilferufe von Frauen oder Meldungen von Nachbarn wegen häuslicher Gewalt gingen 2017 bei der Polizei in Bottrop ein. Fast immer sind Frauen die Opfer.
Gewalt gegen Frauen – das war immer ein Thema und bleibt es auch. Besonders erschreckend ist, dass Frauen in ihrem eigenen Zuhause nicht sicher sind. In vielen Städten steigen die Zahlen bei häuslicher Gewalt. In Bottrop auch.
194 Fälle in der Statistik für 2017
194 Fälle weist die Statistik der Kreispolizei Recklinghausen 2017 für Bottrop aus, 168 waren es 2016. Eine „leichte Steigerung“ sagt die Opferschutzbeauftragte Ingeborg Friedrich.
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Ein Grund dafür könnte sein, meint sie, dass immer mehr Migrantinnen erfahren, welche Möglichkeiten es in Deutschland gibt, sich gegen einen gewalttätigen Partner zu wehren. Im gesamten Kreis waren die Beamten 2017 bei über 1.800 Fällen von häuslicher Gewalt im Einsatz. In den allermeisten Fällen waren Frauen die Opfer.
„Wer schlägt, der geht“
Vor Ort befragt die Polizei Opfer und Täter getrennt voneinander und je nach Alter auch die Kinder. Grundsätzlich gelte: „Wer schlägt, der geht“, sagt Ingeborg Friedrich. Für zehn Tage können die Täter der Wohnung verwiesen werden.
Hilfetelefon ist rund um die Uhr besetzt
„Wählen Sie die 110, wenn sie in Gefahr sind“, appelliert die Opferschutzbeauftragte Ingeborg Friedrich an betroffene Frauen. Und auch Nachbarn sollten die Polizei rufen, wenn sie mitbekommen, dass nebenan etwas Schlimmes passiert.
Das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ mit der Rufnummer 08000 116 016 können Betroffene aller Nationalitäten oder deren Freundinnen und Angehörige, bundesweit kostenlos und rund um die Uhr anrufen, um sich beraten zu lassen.
In der Zeit kann das Opfer sich beraten lassen, beispielsweise im Frauenzentrum Courage. Sind die Frauen einverstanden, leitet die Polizei ihre Kontaktdaten direkt an das Frauenzentrum weiter. Auch an das Bottroper Frauenhaus werden die Frauen verwiesen, oft sei es aber schwierig, hier einen Platz zu bekommen, weil alles belegt ist.
Auch wenn die Opfer in vielen Fällen keinen Strafantrag gegen ihren gewalttätigen Partner stellen – die Polizei schreibt immer eine Anzeige. „Häusliche Gewalt ist keine Privatsache“, sagt Ingeborg Friedrich.
Die Polizei ermittelt und gibt ihre Akten an die Staatsanwaltschaft weiter, die über eine Anklage entscheidet. Wenn Kinder da sind, wird immer auch das Jugendamt eingeschaltet. „Viele Frauen glauben, die Kinder bekommen nichts mit. Aber das ist aber ein großer Irrtum“, weiß sie. Viele Kinder seien traumatisiert.
Der Absprung ist schwer
„Manche Frauen schaffen erst im zigsten Anlauf den Absprung“, sagt Ingeborg Friedrich aus Erfahrung. Im „Idealfall“ würden beide Partner an ihren Problemen arbeiten. Auch Männer können sich Hilfe holen. Bei der Caritas in Herten gibt es „Echte Männer reden“, ein Beratungsangebot für Männer, die gewalttätig geworden sind.
Das geht durch alle Bevölkerungsschichten und alle Nationalitäten, sagt Margret Kemper vom Frauenzentrum Courage in Bottrop. Hier beobachtet man seit 2014 einen stetigen Anstieg; bei den Fällen von häuslicher Gewalt. Die Gründe ließen sich nur vermuten. Das könne sowohl an einer zunehmenden Verrohung der Gesellschaft liegen, aber auch daran, dass heute mehr Frauen die Polizei alarmieren.
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„Oft braucht es Jahre und mehrere Polizeieinsätze bis die Frauen es schaffen, zu gehen“, sagt Margret Kemper. Es sei schwierig, sich aus Abhängigkeiten und Machtstrukturen zu lösen, viele Frauen fühlten sich schwach, es fehlten der Rückhalt von anderen und finanzielle Ressourcen.
Courage kümmert sich um traumatisierte Frauen
Das Frauenzentrum Courage kümmert sich um die seelischen Verletzungen der oft schwer traumatisierten Frauen, zeigt ihnen, welche Schritte sie gehen müssen, um eigene Wohnung und Lebensunterhalt abzusichern und hilft ihnen, ein Netzwerk zur Unterstützung aufzubauen. „Das ist immer eine längerfristige Begleitung.“ Dazu gehören auch Hilfen für die ebenfalls traumatisierten Kinder.