Bottrop. . Bei der Bottroper Stadtverwaltung haben 50 Mitarbeiter einen Telearbeitsplatz, beim Finanzamt sind es neun. Das Angebot nutzen Frauen wie Männer.

Die SPD hat vorgeschlagen, dass Arbeitnehmern ein Recht auf Heimarbeit eingeräumt wird. In der Stadtverwaltung sammelt man seit 2013 Erfahrungen mit der „Alternierenden Wohnraum- und Telearbeit“. „Das kommt bei den Mitarbeitern sehr gut an“, sagt Vanessa Geipel von der Personalentwicklung. Aktuell nutzen 50 Frauen und Männer die Möglichkeit, zumindest tageweise von zu Hause aus zu arbeiten.

Vor sechs Jahren war die Technik weniger ausgereift

„Anfangs waren es 15 Mitarbeiter, aber damals war die Technik auch noch nicht so weit“, erklärt Geipel. Zuletzt sei die Nachfrage rapide angestiegen: „Letztes Jahr hatten wir allein 18 Anträge, davor zehn. Sonst waren es immer vier, fünf pro Jahr.“ Positiv beschieden werden solche Anträge, wenn die Arbeit an sich geeignet ist – also eine reine Verwaltungstätigkeit ohne Publikumsverkehr – und die persönlichen Voraussetzungen stimmen. „Derjenige muss selbstständig gut arbeiten können, eine gewisse Berufserfahrung haben, zuverlässig sein.“ Nicht zuletzt: Die Internetverbindung am Heimarbeitsplatz muss ausreichen. Ein Notebook stellt die Stadt.

Wir suchen Erfahrungsberichte von Arbeitnehmern

Wir möchten das Thema auch aus der Perspektive der Arbeitnehmer beleuchten und suchen daher Erfahrungsberichte: Wie arbeitet es sich von zu Hause aus? Was sind Vor-/Nachteile?

Wer uns davon erzählen möchte, auch anonym, meldet sich in der WAZ-Redaktion, Osterfelder Straße 13, E-Mail redaktion.bottrop@waz.de oder telefonisch unter 02041 18 95 29.

Führungskräfte sind auch dabei

Frauen und Männer halten sich bei der Telearbeit, die die Stadt auch als Wettbewerbsvorteil bei der Mitarbeitergewinnung sieht, zahlenmäßig die Waage. „Gerade jüngere Mitarbeiter legen viel Wert auf flexible Arbeitszeiten und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf“, so Geipel. Das Homeoffice nutzten aber etwa auch solche Kollegen, die weiter weg wohnen. Und selbst Führungskräfte sind nicht ausgenommen. „Die machen Telearbeit aber meist in geringerem Umfang.“

Grundsätzlich könnte man vier von fünf Tagen zu Hause arbeiten, in der Regel seien es aber ein bis zwei die Woche. „Es wird darauf geachtet, dass die Anbindung ans Büro da ist.“ Sollte es einen Rechtsanspruch auf Heimarbeit geben, müsste dennoch immer im Einzelfall geprüft werden, ist Geipels Einschätzung. Insgesamt gibt es bei der Stadt 1700 Mitarbeiter, davon 1400 mit PC-Arbeitsplatz.

Personalrat achtet auf Ausstattung der Arbeitsplätze

Die guten Erfahrungen bestätigt Personalratschef Lutz Küstner. „Für Bedienstete ist es eine erhebliche Arbeitserleichterung, gerade bei der Frage der Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder für Leute von außerhalb.“ Der Personalrat müsse darauf achten, wie die Arbeitsplätze zu Hause ausgestattet sind, dass sie etwa ergonomischen Anforderungen entsprechen und Datenschutz gewährleistet ist. „Wir achten auch darauf, dass die Arbeitszeit sich nicht in die Nachtstunden ausdehnt und die Leute nicht ständig erreichbar sind“, so Küstner. „Diese Überwachung ist bei Heimarbeit deutlich schwieriger als im Haus. Deshalb setzen wir auch auf Eigenverantwortung.“

Eine wichtige Voraussetzung für Heimarbeit ist eine gute Internetverbindung.
Eine wichtige Voraussetzung für Heimarbeit ist eine gute Internetverbindung. © Michael Dahlke

Ähnlich wie bei der Stadtverwaltung habe sich beim Finanzamt die Anfrage nach Telearbeitsplätzen in den vergangenen Jahren erhöht – hauptsächlich aufgrund von familiären Umständen der jeweiligen Kollegen, wie bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder die Pflege naher Angehöriger. „Diese Kriterien sind auch bei der Entscheidung über die Gewährung eines Telearbeitsplatzes vorrangig maßgeblich“, berichtet Georg Janinhoff vom Finanzamt.

Neun Leute nutzen einen Telearbeitsplatz beim Finanzamt

Aktuell nutzten neun Personen einen regelmäßigen Telearbeitsplatz. „Diese Kolleginnen und Kollegen haben mindestens einen Präsenztag pro Woche im Finanzamt, die übrigen Tage können flexibel gestaltet werden.“ Die Regelungen der Dienststelle zum Datenschutz und zur Datensicherung würden am häuslichen Arbeitsplatz entsprechend gelten.

Bei der MC-Bauchemie ist man gerade dabei, die Möglichkeit des Homeoffice auch für Mitarbeiter im Innendienst und in den Verwaltungseinheiten einzuführen. Wer es nutzen könne, hänge von der Art der Tätigkeit ab, erklärt Unternehmenssprecher Saki Moysidis. Die Mitarbeiter können in Absprache mit ihrem Vorgesetzten bis zu zwei Tage im Monat im Homeoffice arbeiten. „Wir wollen damit in 2019 erste Erfahrungen sammeln und am Ende des Jahres ein erstes Fazit ziehen“, so Moysidis.

Heimarbeit hat Grenzen - etwa beim Kundenkontakt

Dass ein Recht auf Heimarbeit seine Grenzen hat, weiß man zum Beispiel beim Diakonischen Werk. „Annähernd 97 Prozent aller Mitarbeitenden werden täglich in den Einrichtungen und Diensten im direkten Kontakt mit den Klienten und Bewohnern gebraucht“, so Sprecher Michael Horst. „Somit würde es hier für das Diakonische Werk bei einem allgemeinen Anspruch auf Heimarbeit keine spürbaren Veränderungen geben.“ Der Bereich Homeoffice spiele heute „eine untergeordnete Rolle in situationsbegründeten Einzelfällen“.

Bei der Vereinten Volksbank gehört zu den Hemmnissen für Heimarbeit nicht nur die Tatsache, dass das Kerngeschäft direkt am Kunden und Mitglied stattfinde. „Unser Arbeitsalltag ist zudem sehr geprägt von zahlreichen gesetzlichen Vorschriften und streng überprüften Bestimmungen – auch bei den nachgelagerten Arbeiten ohne Kundenkontakt. Vor allem Bankgeheimnis, Datensicherheit und Verbraucherschutz sind hier zu nennen“, sagt Sprecher Ralf Bröker. Daher hätten Heimarbeitsplätze bislang eine geringe Bedeutung. „Wenn der Gesetzgeber sich hier neu orientiert, werden wir uns natürlich dem Thema stellen.“

Arbeitgeberverbände üben Kritik

Kritisch sah den Homeoffice-Vorstoß von Anfang an Dirk Erlhöfer, Hauptgeschäftsführer der Arbeitgeberverbände Ruhr/Westfalen: Mit immer neuen gesetzlichen Regelungen werde die Wirtschaft vor sich hergetrieben. Allein um arbeitssicherheitstechnische Anforderungen auch im Homeoffice erfüllen zu können, bedürfe es großen Verwaltungsaufwand. Denn daheim seien die gleichen Standards wie in einem Büro im Betrieb einzuhalten. „Zudem können Betriebe Homeoffice in einer Betriebsvereinbarung oder per Einzelvertrag regeln. Dazu benötigt es keinen gesetzlichen Zwang.“