Bottrop. . Bei der Bottroper Stadtverwaltung ist ein Projekt angelaufen: Elf Frauen und Männer nutzen dieMöglichkeit, von zu Hause aus zu arbeiten. Das Modell eignet sich aber nicht für alle Arbeitsplätze. Geschäftsführer der Arbeitgeberverbände Emscher-Lippe sieht einen Trend hin zu mehr Arbeitszeitsouveränität.

Als die Ministerinnen Manuela Schwesig (SPD) und Ursula von der Leyen (CDU) jüngst verkündeten, einen Teil ihrer Aufgaben in Heimarbeit erledigen zu wollen, waren die ersten „Heimarbeiter“ der Stadtverwaltung schon an den Start gegangen: Seit Sommer existiert eine Dienstvereinbarung „Alternierende Wohnraum- und Telearbeit“ mit dem Personalrat, im Oktober haben die ersten Mitarbeiter begonnen.

Inzwischen nutzen fünf Frauen und sechs Männer die Chance, von zu Hause aus zu arbeiten, teils mit Netzwerkverbindung zur Verwaltung, teils ohne. Mindestens einen Tag pro Woche kommen sie ins Büro, damit z.B. der Informationsfluss gewährleistet ist. Das Ganze ist zunächst als Projekt angelegt, befristet bis Ende 2014. „Dann gucken wir, wie die Erfahrungen sind“, sagt Angelika Barheier, Abteilungsleiterin im Bereich Personalwirtschaft und -entwicklung bei der Stadt. Erste Rückmeldungen seien positiv.

Vier Plätze im Finanzamt

Im Hintergrund des Heimarbeit-Projekts stehen Themen wie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen, so Barheier. Natürlich profitiere ebenso der (auf diese Weise auch attraktivere) Arbeitgeber: Arbeitszufriedenheit wirke sich auf die Arbeitsqualität aus. Und beruflich erworbenes Wissen könne so auch während der Familienphase gut genutzt werden. In jedem Fall werde geschaut, ob Tätigkeit und Mitarbeiter für Heimarbeit geeignet seien, und klare Vereinbarungen zu Aufgaben und Erreichbarkeitszeiten getroffen.

Bereits seit 2004 gibt es die Möglichkeit zum „home office“ beim Finanzamt. Vier Plätze stehen zur Verfügung – und vier Bewerber (drei Frauen, ein Mann) hätte es bei der aktuellen Ausschreibung dafür auch gegeben, so Finanzamtssprecher Michael Kummerhofe. „Mindestens einen Tag pro Woche verbringen die Kollegen im Amt.“ Eine sichere Informationstechnologie ist fürs Finanzamt ein wichtiges Thema. Erst recht bei Geldinstituten, die ja auch noch mit Geldverkehr zu tun haben. Ein Hemmnis für Heimarbeitsplätze, aber nicht das einzige. Sparkassenpersonalleiter Michael Wehling verweist u.a. auch auf möglicherweise kurzfristig angesetzte Besprechungen und Termine, bei denen Mitarbeiter anwesend sein müssten, Arbeitszeit-Fragen, Wegezeiten, Dokumentationen. Zudem habe es bislang nur eine Anfrage für ein „home office“ gegeben. Für die Volksbank, die auch keine offiziellen Heimarbeitsplätze anbietet, ergänzt Katy Pommerenke: „Letztendlich ist es ja das Kundengeschäft, das uns beschäftigt.“

Das sagen Gewerkschaft und Arbeitgeberverband

Heimarbeit sei kein Thema, das aktuell stark diskutiert werde, berichtet Martina Neubner, Geschäftsführerin des Verdi-Bezirks Emscher-Lippe-Süd, aus ihrem Alltagsgeschäft. Heimarbeit, urteilt auch Michael Grütering, Geschäftsführer der Arbeitgeberverbände Emscher-Lippe, werde „im Moment noch sehr spärlich gehandhabt“. Aber seine Prognose ist: „Der Trend wird sein, dass das anders wird.“ Schon die Demografie samt einem zurückgehenden Potenzial an Beschäftigten zwinge zum Umdenken

Wobei Grütering die Begriffe „Heimarbeit“ oder „home office“ für zu kurz gegriffen hält. „Es geht grundsätzlich darum, dass wir bei dem Thema Arbeitszeitsouveränität neue Wege gehen.“ Der bisher allgemein noch übliche Kontrollfaktor in puncto Arbeitszeit sei „typisch deutsch“. Dabei sei für die Unternehmen doch eigentlich nur entscheidend, dass die geforderte Arbeit gemacht werde, und zwar gut. Wenn jemand die Arbeit unterbreche, um die Kinder abzuholen oder eine Runde Sport einzulegen, und dann später noch mal zwei Stunden effektiv arbeite „muss das nicht schlecht sein“. Im Gegenteil: Es zeichne sich ab, dass auf diese Weise sogar bessere Ergebnisse erzielt werden könnten. Natürlich passen solche Modelle nicht bei jedem, weiß Grütering.