Bottrop.. Seit fast 50 Jahren betreibt die 70-jährige Christa Pawlenka einen Grillwagen auf dem Bottroper Wochenmarkt. Eigentlich könnte sie in Rente.
„Dieses Jahr höre ich auf.“ - Dieser Satz begleitet Christa Pawlenka schon seit einigen Jahren. Aufgehört hat sie bisher noch nicht. Viele Bottroper bringen die 70-Jährige mit einem ganz besonderen Duft in Verbindung.
Würstchen, Reibekuchen und Co. verkauft Pawlenka seit fast fünf Jahrzehnten auf dem Wochenmarkt oder der Kirmes. „Christa’s Grill“ ist eine rollende Institution. Deshalb fällt es ihr auch so schwer, die Selbstständigkeit aufzugeben. Den Kunden zuliebe arbeitet Christa Pawlenka trotz Rentenalters. Und ist damit nicht allein.
Geplauscht wird bei der Arbeit oft
Der kleine weiße Wagen mit den roten Lampen am Dach steht an Markttagen immer vor der Sparkasse auf dem Pferdemarkt. Innen dreht Christa Pawlenka die Würstchen. Mit blaugestreifter Schürze und guter Laune. Schon früh treffen sich die Marktbesucher an ihrem Stand. Man kennt sich und plauscht.
„Diese Unterhaltungen würden mir fehlen, wenn ich den Grill nicht mehr hätte“, erzählt sie. Viele Kunden kamen schon als Kinder. „Eine Kundin lebt heute in der Schweiz. Wenn sie in Bottrop ist, kommt sie auch bei mir am Wagen vorbei.“
Sie hat versucht aufzuhören
Sie erzählt mit Freude von ihren Kunden. Davon, wie Kinder das Frühstück ausließen, um bei ihr eine Wurst abzustauben. Oder davon, wie sie Menschen mit kleinen Ratschlägen helfen konnte. „Ich hätte ein schlechtes Gewissen den Menschen gegenüber, wenn ich den Stand abgeben würde.“
Versucht hat sie es. „Aber es ist schwierig, einen Nachfolger zu finden. Wenn, dann will ich auch mein ganzes Geschäft abgeben“, sagt sie . Das ist nicht nur der eine Grillwagen vom Markt, sie hat noch zwei weitere. Allein kann sie nicht bei allen am Grill stehen. Wenn es stressig wird, helfen ihr „die Mädels“ – ihre Mitarbeiterinnen.
Nicht nur auf dem Wochenmarkt sorgt Christa Pawlenka für gefüllte Bäuche, auch beim Weihnachtsmarkt und auf den beiden Kirmessen schmeißt sie den Grill an. „Früher war es noch viel mehr. Da habe ich auch mal drei Schützenfeste auf einmal gemacht. Inzwischen trete ich etwas kürzer und bleibe in Bottrop.“
Außerdem hat sie sich eines fest vorgenommen: „Wenn ich nicht arbeiten möchte, gehe ich auch nicht.“ Als Selbstständige kann sich Christa Pawlenka die Arbeit einteilen. An einem Urlaubstag verdient sie allerdings auch kein Geld.
Im Alter noch etwas erlauben können
„Ich bekomme eine kleine Rente und bin nicht finanziell von meinem Wagen abhängig. Allerdings möchte man sich mal was erlauben“, sagt die gelernte Näherin. Christa Pawlenka geht gern auf Konzerte, macht Städtereisen. Als Prinzessin heizte im Karneval ein. Aber selbst in Kleid und mit Krone konnte sie nicht ohne die Würstchen. Verkauft hat sie während der Session vor elf Jahren trotzdem.
Dönerbuden und andere Schnellimbiss-Gelegenheiten haben das Geschäft mit dem Grillgut schwieriger gemacht. Schwer sei es auch überhaupt, ein Plätzchen als Schausteller in der Stadt zu finden. „Man muss sich bewerben, und manchmal wird man eben auch nicht genommen“, erklärt sie. Mit der großen Stammkundschaft ist Christa allerdings ein gern gesehener Gast in der Stadt.
Was ist denn nun mit der wohlverdienten Rente? Mit heute 70 und nach fast 50 Jahren hinter dem Grill, kann man schon mal darüber nachdenken. „In diesem Jahr höre ich auf“, antwortet sie.
>>> Mehr Männer arbeiten ín Bottrop im Alter
In Bottrop haben, basierend auf den Zahlen der Bundesagentur für Arbeit, im Juni des vergangenen Jahres rund 1796 Menschen über 65 gearbeitet. Davon haben 1426 Rentner eine Form von Minijob ausgeübt – sei es mit geringem Verdienst oder einer kurzfristigen Beschäftigung.
Zum 30. Juni 2017 waren es insgesamt nur 1500, die im Rentenalter einen Job gemacht haben. Nochmal vier Jahre früher, also im Juni 2013, gingen nur 1305 Rentner einer Tätigkeit nach.
„Oft sind es Frauen, die nach dem Tod ihres Mannes in die Armut abrutschen und selbst im Rentenalter einen Job annehmen müssen“, sagt Marion Weiner vom Sozialverband VdK. In Bottrop arbeiten im Juni 2018 1013 Männer und nur 778 Frauen.
Grundsicherung reicht gerade zum Leben
Eine Dunkelziffer ist denkbar. „Manche melden ihre Arbeit nicht an. Viele Menschen schämen sich dafür“, vermutet Weiner. Wer eine zu geringe Rente hat, hat Anspruch auf Grundsicherung.
Was demjenigen noch zum Leben fehlt, wird über die Grundsicherung aufgestockt. „Damit wird nur die Existenzgrundlage gesichert. Frisör oder ähnliches ist nicht eingerechnet.“ Gedeckelt ist die Grundsicherung bei 850 Euro. Zuverdienste werden von der Grundsicherung wieder abgezogen.