Kirchhellen. . Markus und Dorothe Kaufmann halten eine Damwildherde in Kirchhellen. Um die Wolfsrichtlinie zu erfüllen, sollen die Tiere nun umziehen.
Rhythmisch schütteln Markus und Dorothe Kaufmann die Maiskörner in ihren Eimern hin und her. Dem Geräusch kann die Damwildherde am anderen Ende des Geheges nicht widerstehen. Langsam trotten die Tiere auf ihre Besitzer zu. Seit circa fünf Jahren halten die Kaufmanns das Damwild auf einer Streuobstwiese in Kirchhellen.
Nun sollen die Paarhufer umziehen – zur Sicherheit. Denn unweit des jetzigen Geheges hat die Schermbecker Wölfin Schafe gerissen. Der Bau des neuen Geheges direkt am Hof der Kaufmanns kostet nicht nur Geld, sondern auch Nerven.
In Dinslaken wurde Damwild gerissen
Gierig frisst „Big Boss“ Dorothe Kaufmann die Maiskörner aus der Hand. Der Hirsch mit dem eindrucksvollen Geweih ist der Herden-Chef und darf sich somit als erster den Bauch vollschlagen. Er ist zutraulicher als seine beiden Kollegen. Die beäugen die Situation mit skeptischen Blicken aus sicherer Entfernung. „Wir haben Glück, die Hirsche zu haben. Das könnte die Wölfin bisher abgeschreckt haben“, sagt Markus Kaufmann.
Eine Damwildherde in Dinslaken hatte im Oktober des vergangenen Jahres nicht so viel Glück. Zehn der 30 Kühe sind von einem Wolf gerissen worden. „Die Herde war mit einem zwei Meter hohen Zaun gesichert und dort ist der Wolf drüber gekommen“, erklärt Kaufmann.
Die Tiere müssen betäubt werden
Neben den Geschehnissen in Dinslaken, bereiten die Schafsrisse aus der direkten Nachbarschaft dem Ehepaar Sorgen. Gut 400 Meter vom Damwildgehege entfernt, hat die Schermbecker Wölfin bereits zugeschlagen. Grund genug für die beiden, das Damwild näher zu sich ans Haus zu holen.
Allerdings müssen die Tiere für den Umzug betäubt werden, da sie nicht freiwillig auf einen Hänger gehen würden. Die Betäubung für ein Tier kostet die Kaufmanns 30 Euro. Dazu komme das gesundheitliche Risiko, dass mit solch einer Sedierung verbunden sei.
Der Umzug sei dennoch nötig. „Morgens macht man sich schon Gedanken, ob nachts alles gut gegangen ist. Hier sind sie wie auf dem Präsentierteller. Am Hof herrscht mehr Bewegung. Außerdem ist es schwierig den Zaun hier umzubauen“, sagt Dorothe Kaufmann.
Der Zaun muss aufgestockt werden
Das Ehepaar muss nämlich aufstocken, sonst verfällt im Ernstfall der Anspruch auf eine Entschädigung und Versicherung. Bisher grasen die 30 Tiere hinter einem etwa 1,60 hohen Zaun. 1,80 Meter müssen es nach der Wolfsrichtlinie nun sein. Um den Zaun weiter zu sichern, müssen die Kaufmanns noch Erdanker im Boden versenken. Die funktionieren ähnlich wie Heringe beim Zelt.
„Außerdem wollen wir einen Winkel nach außen anbauen, damit der Wolf nicht einfach gerade hochlaufen kann. Besser geht immer und das wird auch vom Land gefördert“, erklärt Markus Kaufmann.
Nur das Material wird gefördert
Der Zaun für das neue Damwild-Gehege kostet das Ehepaar rund 15.000 Euro. Davon sind etwa 8000 Euro Materialkosten. „Und nur die werden gefördert“, sagt Markus Kaufmann und fügt mit Ärger in der Stimme hinzu, „zuerst hieß es zu 100 Prozent. Jetzt sind es nur noch 80 Prozent. Das macht bei uns rund 1600 Euro aus.“
Beantragt hat er die Fördermittel bereits im vergangenen Jahr, gehört hat er bisher noch nichts. „Ich kann aber erst mit dem Bau des neuen Geheges anfangen, wenn die Fördermittel genehmigt wurden, sonst wird nichts gezahlt. Es dauert alles unglaublich lange“, ärgert er sich. „Dabei will man doch eigentlich den Tieren sofort helfen und nicht erst Monate später. Gerade nach einem Riss“, fügt Ehefrau Dorothe Kaufmann hinzu.Diese Bürokratie schrecke viele Hobbytierhalter ab und ärgere die Kaufmanns.
>>> Manche Zäune stehen unter Strom
Verluste im Bestand, stapelweise Anträge und kostspielige Baumaßnahmen lassen das Ehepaar beim Thema Wolfsromantik die Stirn runzeln. „Das sagt sich immer so leicht, wenn man in der Bottroper Stadtmitte sitzt und davon nicht direkt betroffen ist“, sagt Dorothe Kaufmann und fügt hinzu, „aber man will doch auch nicht überall zwei Meter hohe Zäune in der Gegend stehen haben.“
Einige Schafs- und Ziegenzäune müssen nach den neuen Richtlinien zudem unter Strom gesetzt werden. Das neue Gehege des Damwilds allerdings nicht. Zum Glück, wie Markus Kaufmann findet: „Kleine Lebewesen, die an einen solchen Zaun kommen, können an dem Schlag sterben.“
Außerdem müssen die Besitzer eines Elektrozaunes jeden Tag dessen Spannung messen und diese in ein Zauntagebuch eintragen. Lücken im Buch erschweren die Entschädigung.
Ohne eindeutige DNA keine Entschädigung
„Das frisst Zeit, die keiner hat. Auch nicht, nach einem Riss, einen halben Tag mit dem Lanuv zu verbringen bis die Spuren gesichert sind.“ Die Mitarbeiter des Landesamts für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (kurz Lanuv) nehmen nach einem Riss DNA-Proben vor Ort – manchmal auch mit Verspätung, so Kaufmann.
„Kann nicht eindeutig ein Wolf als Täter nachgewiesen werden, gibt es gar keine Entschädigung“, sagt er. Ohne Frage, der Wolf sei ein tolles Tier. „Aber er muss auch in die Gegend passen“, sagt Markus Kaufmann.