Bottrop / Gladbeck. . Alfred H. Voigt, Leiter der Außenstelle Bottrop-Gladbeck im Weißen Ring, zieht Bilanz. Ein Fall lässt ihn auch nach mehr als 20 Jahren nicht los.

Der Weiße Ring kümmert sich um Menschen, die Opfer von Straftaten geworden sind und Hilfe benötigen. Darunter sind auch Menschen, die noch Jahre nach der Tat mit traumatischen Erlebnissen zu kämpfen haben. Alfred H. Voigt, Rechtsanwalt und Leiter der Außenstelle Bottrop-Gladbeck, merkt an, dass in letzter Zeit in beiden Städten insbesondere Raubüberfälle überhandgenommen haben.

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Vorwiegend ältere Menschen, die mitunter körperlich gehandicapt sind, würden im Fokus der Täter stehen. Handtaschen oder Portemonnaies zählen zu den Objekten ihrer Begierde. Auch vor körperlicher Gewalt werde im Zusammenhang mit einem Raubüberfall kaum noch Halt gemacht. „Die Hemmschwelle ist in den vergangenen Jahren deutlich gesunken“, meint Voigt.

Opfer schämen sich teilweise

Häufig schämen sich die Opfer, gehen nicht zur Polizei, erstatten keine Anzeige und nehmen auch nicht die Hilfe vom Weißen Ring in Anspruch. Vor allem bei Delikten wie häuslicher Gewalt und sexuellem Missbrauch sei dies der Fall. Über eine mögliche Dunkelziffer möchte er nicht spekulieren. Wenn sich jemand bei der Polizei meldet, nennt der entsprechende Opferschutzbeauftragte des Präsidiums den Weißen Ring als kompetente Anlaufstelle.

In der Regel erfolgt der erste Kontakt über das Telefon oder per E-Mail. Dieser Schritt kostet für die meisten seelische Überwindung. Dann wird ein persönliches Treffen vereinbart. In der Regel wählt der Anrufer einen Ort in einer vertrauten Umgebung. „Meistens trifft man sich Zuhause bei den Opfern“, erklärt Voigt.

Schilderung der Tat

Es folgen die Schilderung der Tat und im Verlauf die weiteren Schritte des Handlungsbedarfs. Ältere Menschen, die beispielsweise Opfer eines Raubüberfalls wurden, genügt manchmal nur das Gespräch mit einem Mitarbeiter vom Weißen Ring. „Sie können sich dieser Person, die ihnen zuhört, anvertrauen und über die Tat sprechen“, so Voigt. Bei Opfern mit traumatischen Erlebnissen werden von der Hilfsorganisation Spezialisten wie Therapeuten vermittelt und zu Rate gezogen.

Seit 1984 ist Alfred H. Voigt Leiter der Außenstelle Bottrop-Gladbeck. Die Hilfsorganisation ist dringend auf ehrenamtliche Mitarbeiter angewiesen. Der 66-Jährige versucht die vielen traurigen Schicksale mental nicht mit nach Hause zu nehmen. Der Fall eines Mädchens berührt ihn allerdings noch immer. Mehr als 20 Jahre sind seitdem vergangen. Als 18-Jährige kam sie hilfesuchend zu ihm. Zuvor hatte sie eine Anzeige wegen sexuellen Missbrauchs erstattet Ein naher Verwandter soll sie jahrelang vergewaltigt haben. Sie war ihrem Peiniger ausgeliefert gewesen.

Taten in familiärem Umfeld

Als Tatort des abscheulichen Verbrechens nannte die junge Frau die elterliche Wohnung. „Die Eltern sagten, sie hätten damals nichts von der Tat mitbekommen“, erinnert sich Voigt und mutmaßt: „Möglicherweise wollten sie den Verwandten schützen.“ Wie er aus der Praxis berichtet, könne es manchmal vorkommen, dass eine solche Tat im familiären Umfeld „heruntergespielt wird“. Man wolle den Eindruck der nach außen vermittelten heilen Familienwelt nicht zerstören. Das zuständige Gericht entschied in diesem geschilderten Fall aufgrund der Beweislage jedoch anders und verurteilte den Täter. Die junge Frau wandte sich daraufhin von ihrer Familie ab.