Bottrop. . Holger Stellmacher wird mit sechs Kollegen dem Bundespräsidenten in Bottrop den letzten Kohlebrocken überreichen. Dann endet sein Berufsleben.
Gut möglich, dass am Freitagnachmittag Tränen fließen, das will Holger Stellmacher nicht ausschließen. Aber zum Glück, so der 49-Jährige, könne man sich ja notfalls unter dem Helm und hinter der Schutzbrille auch etwas verstecken. Zusammen mit sechs Kollegen gehört Stellmacher zu den Bergleuten, die am Nachmittag symbolisch das letzte Stück deutsche Steinkohle ans Tageslicht bringen und an Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier überreichen. Für Stellmacher ist es „eine Ehre“, für diese Aufgabe ausgewählt worden zu sein.
Um 16 Uhr beginnt der offizielle Festakt zum Ende des Steinkohlebergbaus in Deutschland. 550 Gäste sind dazu eingeladen, am Fuße des Doppelbocks von Franz Haniel im Fuhlenbrock an diesem historischen Einschnitt für Deutschland, das Ruhrgebiet und nicht zuletzt für die Stadt Bottrop teilzunehmen. Neben dem Bundespräsidenten sind auch der Vorsitzende der EU-Kommission, Jean-Claude Juncker, Ministerpräsident Armin Laschet und weitere aktuelle und ehemalige Bundes- und Landesminister dabei. „Eingeladen sind hochrangige Vertreter aus Politik, Gesellschaft, Kirche und Wirtschaft“, sagt RAG-Sprecher Christof Beike. Dazu werden Medienvertreter aus ganz Deutschland erwartet.
Eine Feier an Schacht 10 nur für die Belegschaft
Dass die Kumpel bei dem Ereignis nahezu außen vor sind, findet Stellmacher nicht schlimm. Am 28. Dezember findet an Schacht 10 noch eine kleine Feier unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, dann können die Bergleute noch einmal Abschied nehmen – voneinander und vom Pütt.
Letztes Kohlestück mit Abbauhammer gewonnen
Reviersteiger Jürgen Jakubeit führt die Delegation der Bergleute an, die den letzten Brocken an die Oberfläche bringen. Er wird die Kohle an Frank-Walter Steinmeier überreichen.
Das Stück stammt aus seinem Revier, einem Hobelbetrieb. Es wurde jedoch – wie früher – mit dem Abbauhammer gewonnen, weil der Hobel schon stand.
Stellmacher wird sich Freitag ein letztes Mal in seine Bergmannskluft werfen. Der historische Akt, die Übergabe des letzten Kohlebrockens, es ist zugleich seine letzte Schicht. Am Abend wird er seinen Spind ausräumen, nach Hause fahren. Für ihn beginnt der Vorruhestand. „Wer kann schon sagen, dass zu seiner letzten Schicht der Bundespräsident kommt“, sagt er mit trockenem Kumpelhumor. Dann wieder ernst: Dass eine solche offizielle Feier stattfindet, sei dem Anlass angemessen.
Auszeichnung für die Kumpel
„Und es ist ja auch eine Auszeichnung, dass der Bundespräsident uns die Ehre erweist“, sagt er, wieder ernst. Angesichts dessen, was der Steinkohlebergbau im Ruhrgebiet für ganz Deutschland geleistet habe, sei es auch richtig, dass sich ganz Deutschland verabschiedet.
So sieh es auch Dirk Tomke. Er gehört zu den Bergleuten, die heute als Ersatz parat stehen, sollten die Kollegen wider Erwarten nicht pünktlich mit dem Kohlebrocken nach oben kommen. Außerdem ist er Interviewpartner für die Medien. Mittlerweile verspüre er angesichts des Endes schon eine innere Unruhe, immer häufiger laufe sein Berufsleben noch einmal vor den Augen ab, sagt der 47-Jährige. „Vor einem halben Jahr hat man es immer noch verdrängt.“
Rund um den Förderturm herrscht Sicherheitsstufe 1
Auf dem Gelände von Franz Haniel herrscht heute angesichts des Besuchs des Bundespräsidenten Sicherheitsstufe 1. Was genau das heißt, will niemand sagen – aus Sicherheitsgründen. Nur soviel: Zugang haben lediglich geladene und akkreditierte Personen. Auf dem Teilstück der Fernewaldstraße zum Bergwerk hin gilt ein absolutes Halteverbot. Anwohner der Hanielsiedlung kommen aber ganz normal zu ihren Wohnungen. Auch die Halde Haniel sei für Besucher zugänglich, sagt Christof Beike.