Bottrop. . Für die junge Mutter bietet dieser Weg eine berufliche Perspektive. Der Verein Re/init unterstützt Bewerber und Betriebe, die Idee umzusetzen.
Wie soll das gehen? Die Hürde, Ausbildung und Kind unter einen Hut zu bringen, schien für Verena Selke zunächst unüberwindbar. Das Modell der Teilzeitausbildung ist weithin unbekannt, doch genau hier setzt der Verein Re/init e.V. an und half auch der Bottroperin beim Start. Seit September macht die 28-Jährige nun eine Ausbildung zur Rechtsanwaltsfachangestellten in einer Essener Anwaltskanzlei – in Teilzeit! „Ein Traum ist für mich in Erfüllung gegangen“, strahlt die junge Mutter.
Nach dem Abitur am Josef-Albers-Gymnasium studierte die damals 19-Jährige zunächst Philosophie, Germanistik und Theologie an der Universität Duisburg-Essen. Dann kam Sohn Maxim auf die Welt und stellte das Leben der jungen Frau auf den Kopf. „Es ist so schön, für ihn da zu sein. Aber ich will auch was für mich tun, will eine berufliche Perspektive haben“, stellt Selke klar. Sohn Maxim ist inzwischen drei Jahre jung und geht in die Kindertagesstätte. Mutter und Schwester unterstützen Verena Selke zudem.
Ausbildung in Teilzeit ist unbekannt
Aber als alleinerziehende Mutter war eine Ausbildung in Vollzeit für Verena Selke dennoch nicht akzeptabel. Eine Teilzeitausbildung im Blick, bekam sie vom Jobcenter den Tipp, sich an den Verein Re/init zu wenden. „Wir unterstützen Frauen und Männer in Bottrop und Gelsenkirchen bei ihrer Suche nach einer Teilzeitausbildung und Betriebe bei der nach geeigneten Fachkräften“, erläutert Angela Leimmecke, Jobcoach bei Re/init .
„Leider ist die Möglichkeit der Teilzeitausbildung sowohl bei Arbeitgebern wie möglichen Bewerbern – also Menschen, die entweder durch Kindererziehung oder Betreuung von pflegebedürftigen oder behinderten Familienmitgliedern familiär sehr eingebunden sind – weitgehend unbekannt.“
Tagesablauf ist genau geplant
Verena Selke schätzt die individuelle Betreuung, Beratung und unermüdliche Unterstützung durch den Verein. „Etwa 30 Bewerbungen hab ich geschrieben, hatte auch etwa sieben Gespräche. Aber viele Arbeitgeber wollten sich letztlich doch nicht auf die Teilzeitausbildung einlassen.“ In der Anwaltskanzlei von Jörg Schintze hatte die junge Mutter dann aber doch Glück: Nach einer Woche Probearbeit hatte sie den Ausbildungsvertrag zur Rechtsanwaltsfachangestellten in der Tasche – in Teilzeit. „Das Konzept ist sehr interessant, und ich hatte mit einer weiteren Auszubildenden schon sehr gute Erfahrungen gemacht“, stellt Rechtsanwalt Jörg Schintze fest, „Klar, die Teilzeit-Azubis sind weniger im Haus. Der Vorteil aber ist, dass sie schon älter und erfahrener sind und sich schneller in Kommunikation und Umgang mit den Kunden einfinden.“
Zur Teilzeitausbildung von Verena Selke gehören insgesamt 30 Stunden Arbeit in Kanzlei und Unterricht in der Berufsschule. „Klar, ohne Uhr und genaues Timing geht nix“, stellt Verena Selke fest. Der Tagesablauf ist durchgetaktet. „Aber es läuft prima. Maxim hat sich schnell dran gewöhnt. Und mir gefällt meine Arbeit sehr gut. Dank der kleinen Kanzlei kann ich schon sehr selbstständig arbeiten.“ Wenn die junge Mutter dann nachmittags nach Hause kommt, „ist Maxim bis zum Schlafengehen mein kleines Anhängsel“, erzählt die junge Mutter schmunzelnd. „Klar, Lernen muss ich abends, wenn er schläft. Das fällt schon schwer, aber ich tue es für mich!“
Unbekanntes Modell
Interessante Alternative auf dem Ausbildungsmarkt
Marithres van Bürk-Opale, Fachbereichsleiterin bei Re/init, sieht in der Teilzeitausbildung einen guten Weg, um dem Fachkräftemangel zu begegnen. „Alle Teilnehmerinnen, die wir bislang begleitet haben, zeigen sich als sehr engagierte, verantwortungsbewusste und belastbare Auszubildende.“
Infos zu TEP gibt es unter 02041 - 77597331 und per Mail: angela.leimmecke@reinit.de
Ausbildung in Teilzeit ist gesetzlich bereits seit 2005 möglich. Dennoch ist das Modell noch weitgehend unbekannt. Der Verein Re/init unterstützt über das Landesprogramm TEP sowohl Bewerbern wie auch Betriebe. Dabei steht TEP für Teilzeitberufsausbildung, Einstieg begleiten und Perspektiven öffnen. Für Interessierte gibt es in beiden Städten noch freie Plätze, ein Einstieg ist jederzeit möglich.
„Im Rahmen einer Förderphase helfen wir bis zu sechs Monate bei der Suche nach Praktikums- und Ausbildungsplätzen und Lösung von Problemen, beispielsweise bei der Kinderbetreuung“, erklärt Marithres van Bürk-Opale, Fachbereichsleiterin bei Re/init. „Viele zögern auch, trauen sich den Weg nicht zu. Da machen wir Mut und geben Sicherheit.“ Damit auch in der Ausbildung alles gut anläuft, schließe sich eine bis zu achtmonatige Begleitung an. Bislang wurden und werden ausschließlich Frauen begleitet, das Programm steht aber auch Männern offen. „Vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels ist die Teilzeitausbildung wichtig und unverzichtbar“, stellt van Bürk-Opale klar. „Es lohnt sich für Arbeitgeber neue Wege zu gehen.“