Bottrop. . Seit den Herbstferien leitet Ingo Scherbaum das JAG. Gemeinsam mit Lehrern, Schülern und Eltern will er die große Schule behutsam verändern
Zum Interview empfängt Ingo Scherbaum, der neue Leiter des Josef-Albers-Gymnasiums, im Büro des Schulleiters. Doch man sieht dem Raum an, dass er ihn erst zu den Herbstferien bezogen hat. An der Wand hängen fünf Drucke, Quadrate vom Namensgeber der Schule. Bisher ist der 46-Jährige noch nicht dazu gekommen, dem Raum eine persönliche Note zu geben. Das kommt noch, wie auch wohl noch neue Möbel kommen werden. Im Gespräch mit WAZ-Redakteur Matthias Düngelhoff geht der neue Schulleiter auf neue Ideen und Entwicklungen ein – nicht nur am JAG.
Schulleiter, ist das ein Traumberuf?
Ja, auch wenn man oft gegenteiliges darüber hört. Man braucht für diese Stelle das entsprechende Herzblut. Doch wäre es kein Traumberuf, hätte ich mich ja gar nicht erst beworben. Sicherlich ist das eine sehr zeitintensive Aufgabe und ich habe auch Respekt davor, aber man kann auch eine Menge bewegen und gestalten. Das stelle ich auch jetzt schon in den ersten Tagen fest.
Wo wollen Sie ansetzen, was wollen sie am JAG bewegen oder neu gestalten?
Ich bin ja seit 2005 hier am JAG und habe lange auch in der Schulentwicklung mitgearbeitet. Da liegt also schon viel Leidenschaft drin. Deshalb werde ich jetzt hier auch nicht alles umkrempeln. Das JAG ist ja gut aufgestellt, von der Grundidee der Schule werden wir nicht abrücken. Ich möchte aber auch offen sein für die Anregungen der Kollegen, der Schüler und der Eltern. Sie alle möchte ich ins Boot holen.
Im Sommer entspannt er am Meer
Berge oder Meer?
Eigentlich das Meer, aber in den Herbstferien war ich das erste Mal in den Bergen und es hat mir sehr gut gefallen. Im Sommer bevorzuge ich aber das Meer.
Sport oder Sofa?
Sport, ich versuche, mich durch regelmäßiges Jogging fit zu halten. Das gelingt jetzt in der Anfangszeit nicht so gut, aber sonst versuche ich mindestens zweimal pro Woche eine Stunde zu laufen.
BVB oder Schalke?
Das kann ich nicht sagen, da habe ich keine Vorliebe, ich finde es toll, wie viel Fußballvereine wir hier im Ruhrgebiet haben.
Currywurst oder Drei-Gänge-Menü?
Ich mag die Abwechslung, ich habe kein richtiges Lieblingsgericht. Man könnte sagen, mein Lieblingsgericht ist die Abwechslung.
TV oder Buch?
Buch, aktuell lese ich Galileo Galilei von Berthold Brecht. Zuletzt habe ich in den Ferien Mutter Courage im Theater gesehen, das hat mich dazu gebracht, mal wieder Brecht zu lesen.
Auto oder Fahrrad?
Zu Hause versuche ich, die Wege wann immer es geht mit dem Fahrrad zurückzulegen.
Mathe oder Deutsch?
Deutsch.
Klassenclown oder Klassenbester?
Ich war nicht der Klassenbeste, aber ich war auch kein schlechter Schüler. Auf gar keinen Fall war ich der Klassenclown.
Wie soll das funktionieren?
Wir haben bereits im Februar eine Steuerungsgruppe eingerichtet. Da treffen sich Vertreter von Lehrern, Schülern und Eltern regelmäßig und tauschen sich aus. Ich glaube eine solche Regelmäßigkeit ist wichtig, um kontinuierlich Rückmeldungen zu bekommen und vielleicht auch Veränderungen anzustoßen.
Sie kommen aus dem Kollegium, ist es eigentlich besser, wenn eine solche Stelle intern besetzt wird?
Für mich persönlich überwiegen die Vorteile. Ich kenne die Schule sehr genau. Ich kenne die Kollegen sehr genau und insofern brauche ich keine lange Einarbeitungszeit. Klar gibt es auch Nachteile, man sagt, Außenstehende brächten neue Ideen mit, aber ich glaube, dass die Schule gut aufgestellt ist und auch so Ideen entwickelt. Außerdem habe ich mich beworben, weil ich Anzeichen aus dem Kollegium bekommen habe. Ich habe die Unterstützung der Kollegen und des Schulleitungsteams erfahren. Hätte ich die nicht, hätte ich mich gar nicht beworben.
Sie unterrichten Musik und Deutsch. Nach außen hin wird das JAG vor allem als Mint-EC-Schule, also als Schule mit naturwissenschaftlichem Schwerpunkt wahrgenommen. Wird sich das ändern?
Es stimmt, wir sind seit vielen Jahren Mint-EC-Schule, aber es gibt wesentlich mehr Projekte bei uns. Wir bieten in den Sprachfächern Auslandsfahrten an. Dazu gibt es hier auch einen bilingualen Zweig ab der Klasse sieben. Im musischen Bereich haben wir die Bläserklassen aufgebaut, auch das ist sehr erfolgreich. So haben wir zuletzt in Bottrop auf sieben Martinszügen spielen können. Und das sind nur einige der Projekte. Unser Vorteil ist, dass wir eine große Schule sind, deshalb sind wir gut aufgestellt. Daraus ergibt sich eine große Vielfalt. Das zeigt sich auch an den Wahlmöglichkeiten in der Oberstufe. Da sind jetzt sogar Leistungskurse in Philosophie und Spanisch zustande gekommen. Aber wichtig ist uns, dass wir bei all dem den Schüler in den Mittelpunkt stellen. Schule ist ja nicht nur lernen. Wir wollen mündige Bürger erziehen, die sich ihrer Verantwortung für die Gesellschaft bewusst sind.
Wird das nicht zusehends schwerer in einer Zeit, in der die Gesellschaft auseinanderzudriften scheint?
Das glaube ich nicht. Ich glaube, wir können die Schülerinnen und Schüler noch zu verantwortungsvollen Mitgliedern der Gesellschaft machen. Zwar wandelt sich die Gesellschaft, das bedeutet für die Schule aber auch, dass sie am Puls der Zeit bleiben muss. Wir sollten nicht in die Klage einstimmen, dass früher alles besser war. Ich erlebe die Schüler nach wie vor als intelligent und lernbegierig. Wichtig ist, dass man das in der Schule lebt, weil Schule eben nicht nur Lern- sondern auch Lebensort ist. Ich erwarte – und so erlebe ich es hier auch – dass Werte vorgelebt werden. Das hat zur Folge, dass unsere Schüler auch begeistert an solchen Projekten wie etwa dem Sponsorenlauf mitwirken. Da kamen zuletzt immerhin 30.000 Euro für Straßenkinder in Recife in Brasilien zusammen.
Besteht aber an einer großen Schule nicht viel eher die Gefahr, dass der Einzelne untergeht?
Für uns ist es wichtig, bewusst den einzelnen Schüler zu sehen. Bei Konferenzen sehen wir genau, welcher Schüler hat Probleme und braucht vielleicht Unterstützung und welcher Schüler ist vielleicht so gut, dass er individuelle Förderung braucht. Beides können wir den Schülern hier bieten und es ist auch erfolgreich. Das zeigt die sehr geringe Wiederholerquote. Und auch was die Durchfallquote im Abitur angeht, liegen wir deutlich unter dem Landesschnitt.
Das JAG liegt mitten in einem Wohngebiet, Anwohner klagen über den starken Verkehr, ausgelöst durch die Schule . Und auch das Straßenverkehrsamt sieht Handlungsbedarf und will die Verkehrsführung ändern. Wie stehen Sie dazu?
Die Idee, die Schützenstraße zu so einer unechten Einbahnstraße zu machen, ist sicher den Versuch wert. Auch wir als Schule haben schon versucht, das Problem zu entschärfen, indem wir zu unterschiedlichen Zeiten anfangen. Der Unterricht für die Sekundarstufe zwei beginnt 15 Minuten eher. Entsprechend ist auch das Unterrichtsende um eine Viertelstunde versetzt. Außerdem appellieren wir regelmäßig an die Eltern, die Schüler nicht bis vor die Schule zu fahren. Uns wäre auch daran gelegen, dass die Kinder ein Stück zu Fuß gehen. Allerdings sind es auch die Aktivitäten nach Schulschluss etwa in der Aula und der Sporthalle, die für Verkehr sorgen. Und leider sind wir ja auch nicht die einzige Schule mit diesem Problem.
Seit Jahren wird über den Bau der neuen Sporthalle gesprochen, wie dringend brauchen Sie die?
Wenn die Halle endlich da wäre, würden viele Kollegen Luftsprünge vor Freude machen. Wir haben 1350 Schüler, aber nur eine Einfach-Sporthalle. Das passt nicht mehr zusammen. Derzeit laufen ja die Vorbereitungen für die einzelnen Ausschreibungen und wir hoffen, dass der Spatenstich nächstes Jahr erfolgt. Wir brauchen diese Halle, zumal wir auch überlegen, was mit der alten geschieht. Durch die Rückkehr zu G 9 brauchen wir mehr Platz. Da gibt es erste Überlegungen, die alte Halle einzusparen, sie umzubauen oder auch sie aufzustocken. Aber all das sind erste Ideen, wir sind da noch in einem intensiven Gedankenaustausch.