Bottrop. . Ein Besuch im Seminar „Menschen mit Demenz verstehen“ im St. Antonius-Krankenhaus. Expertinnen geben Tipps, die den Alltag erleichtern sollen.
Wer ein Familienmitglied zu Hause pflegt, kann Unterstützung brauchen. Eine Form der Hilfe bieten Kurse, die Angehörige fit für die Pflege machen. „Menschen mit Demenz verstehen“, das wollen drei Männer und drei Frauen, die an diesem Nachmittag ins St. Antonius-Krankenhaus gekommen sind. Pflegetrainerin Michaela Mause und Diplom-Sozialarbeiterin Jutta Delfs haben Tipps im Gepäck, die den Alltag für alle erleichtern sollen.
Piktogramm erleichtern die Orientierung
Zum Beispiel wissen die Expertinnen, wie man die Orientierung in der Wohnung erleichtert. „Mit Piktogrammen kann man klar machen: Hier ist das WC, hier die Dusche“, sagt Michaela Mause. Bilder an Schränken zeigen, wo Tassen, Teller oder Gläser aufbewahrt werden. „Im Bad hilft es, wenn Becher und Zahnbürste eine Farbe haben.“ Etwa Rot, das werde schneller gefunden. Eine Bodenbeleuchtung helfe bei der Orientierung in der Nacht. Denn Sicherheit ist ein wichtiger Aspekt. „Ich habe fast alle Teppiche weggeräumt“, so eine Teilnehmerin – und damit Stolperfallen beseitigt.
Von den Situationen in den Familien lassen sich die Expertinnen im Kurs berichten. So erzählt ein Teilnehmer: „Meine Mutter kann sich selbst noch pflegen. Aber sie kann nicht mehr in den Betrieb, nach 50 Jahren. Sie hat starke Stimmungsschwankungen, äußert wüste Beschimpfungen. Da können wir sagen, was wir wollen.“ Mause erklärt: „Demente Menschen empfinden Trauer um ihre Verluste, wenn sie etwas nicht mehr können. Zur Trauer gehört auch eine Phase der Wut.“ Diese müsse ausgelebt werden können. Ihr Rat vor allem: Die Mutter gewähren lassen, nicht diskutieren.
Beschäftigung knüpft an frühere Tätigkeiten an
Wenn die Demenz noch weiter fortgeschritten ist, könne man der Mutter eine Ecke herrichten, wo sie sortieren und abheften kann. Eine Beschäftigung für Demenzkranke zu finden, die an frühere Tätigkeiten oder Hobbys anknüpft, sei zentral. „Langeweile kann quälend sein. Damit lässt sich Unruhe erklären.“ Jutta Delfs ergänzt: „Es ist wichtig zu merken: Ich werde gebraucht, habe eine Aufgabe.“ Man könne die Kranken auch in eigene Tätigkeiten einbeziehen wie Kartoffeln schälen.
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Eine Seniorin thematisiert, dass ihr Mann ganz genau wissen möchte, wann sie zurückkommt, wenn sie das Haus verlässt. „Aber ich sage ihm keine Uhrzeit“, um später nicht darauf festgelegt zu werden. Mause rät ihr, auf das Bedürfnis nach Sicherheit und Geborgenheit einzugehen, das der Partner offenbart. „Sie könnten einfach sagen: Ich bin pünktlich wieder da, mache dir keine Sorgen.“ Gebe man dem Kranken dazu noch etwas zur Beschäftigung in die Hand, das er mit Positivem verbindet – in diesem Fall vielleicht eine Lokomotive seiner alten Eisenbahn – empfinde er in der Zwischenzeit nicht so große Einsamkeit und Angst, sondern im besten Fall Zufriedenheit.
Auf Gefühle der Demenzkranken eingehen
Die Expertinnen haben auch Tipps für eine entspannte Kommunikation parat. „Wenn jemand immer wieder dieselbe Äußerung tut, kann man schon mal ans Ende seiner Geduld kommen“, weiß Mause. Sie empfiehlt auch hier, auf die Gefühle und Bedürfnisse der Erkrankten einzugehen. Mause nennt ein Beispiel aus der Angehörigen-Runde: Ein älterer Herr braucht Hilfe beim Zuknöpfen. Aber da er immer eine selbstbestimmte Persönlichkeit war, mag er Hilfe nicht gerne annehmen. Gleichzeitig war er stets sehr penibel. Diese Eigenschaften seiner Persönlichkeit könne die Partnerin nun beim Umgang berücksichtigen und zu ihm sagen: „Ich weiß, es ist dir wichtig, dass alles ordentlich ist. Komm, lass dir schnell helfen.“
Der regelmäßig stattfindende Kurs „Menschen mit Demenz verstehen“ besteht aus drei Terminen, die aufeinander aufbauen. „Jeder Termin kann aber auch für sich stehen“, ermuntert Michaela Mause Angehörige zur Teilnahme, auch wenn sie nicht jedesmal können.
Pflegerische Handgriffe lassen sich erlernen
Unterstützung finden pflegende Angehörige auch bei anderen Anbietern. Einen Pflegekurs hat zum Beispiel das Marienhospital an der Josef-Albers-Straße 70 regelmäßig im Programm. Dort werden Pflegetechniken ganz praktisch vermittelt und pflegende Angehörige zum gegenseitigen Austausch angeregt. Dabei geht es um Fragen wie: Wie lagert man einen Bettlägerigen um?Wie hilft man einem Kranken aus dem Bett? Welche Hilfsmittel erleichtern die Pflege und wo gibt es sie? Dieser kostenlose Pflegekurs besteht jeweils aus drei Teilen. Die nächsten Termine sind am 5., 12. und 19. März. Info: 02041 106-2510.
Angehörige und Nahestehende von dementiell erkrankten Menschen werden auch bei den Maltesern an der Scharfstraße 13 geschult. Dort gibt es monatlich kostenlose Vorträge. Kommende Themen sind „Demenz – die Krankheit der Angehörigen?“ (19. Februar, 18 Uhr), „Umgang mit schwierigen Symptomen“ (12. März, 18 Uhr). Anmeldung: 02041 375 46 42.
Delir und chronische Wunden
Am St. Antonius-Krankenhaus, Gartenstraße 17, gibt es neben dem beschriebenen dreiteiligen Pflege- und Sozialberatungskurs „Menschen mit Demenz verstehen“ (wieder am 6., 13., 20. März) die Schulung „Menschen mit Depression – Betroffen ist die ganze Familie“ (etwa am 10., 17., 24. April). Zudem werden an verschiedenen Dienstagen von 15 bis 17 Uhr Gesprächskreise für Angehörig zu Themenschwerpunkten angeboten. Beispiele: „Wer rastet, der rostet“ (27. Februar), „Das Delir, ein akut auftretender Verwirrtheitszustand“ (26. April), „Hautveränderungen im Alter – Chronische Wunden“ (17. Juli). Info: 02045 891-6 20 17.
Im Info-Service-Treffpunkt des KWA-Stift Urbana, Poststraße 4, ist gerade die Kursreihe „Hilfe beim Helfen – Pflege und Betreuung demenzkranker Menschen“ gestartet. Infos hat Beate Aldorf, 02041 77 19 08.