Essen. . Ob der Bottroper Apotheker den Tod von Patienten zu verantworten hat, ist juristisch fraglich. Das untermauert jetzt ein Gutachter.

Dass der Bottroper Apotheker Peter Stadtmann den Tod einzelner Patienten zu verantworten hat, wird ihm nur schwer nachzuweisen sein. Das geht aus dem Gutachten des Essener Mediziners Martin Schuler, Leiter der Tumorforschung am Universitätsklinikum Essen, hervor: „Krankheitsverläufe sind immer individuell.“ Es gehe immer nur um eine „Wahrscheinlichkeit“, ob eine Chemotherapie dem Patienten hilft, sagte er am Freitag vor dem Landgericht Essen.

Vorwurf der Arzneimittelfälschung

Rechtlich hatte schon Staatsanwalt Rudolf Jakubowski diese Einschätzung übernommen und in seiner Anklage darauf verzichtet, Stadtmann ein versuchtes oder vollendetes Tötungsdelikt vorzuwerfen. Verantworten muss sich der 47 Jahre alte Apotheker lediglich wegen Arzneimittelfälschung, Abrechnungsbetrug und Körperverletzung. Er soll bei von ihm nach Rezept hergestellten Chemotherapien jahrelang zu wenige oder gar keine teuren Wirkstoffe injiziert haben. Anwälte der Nebenklage, die die geschädigten Patienten vertreten, werfen ihm deshalb vor, diesen lebenserhaltende Medikamente vorenthalten zu haben.

Doch dieser Nachweis im Einzelfall ist kaum möglich, sagt Gutachter Schuler. Der Tumorforscher weist auf Studien hin, nach denen es gar nicht so große Unterschiede in der Sterberate von Krebskranken gibt, wenn die eine Gruppe einen, die andere zwei Antikörper verordnet bekam. Er macht aber auch klar, dass natürlich derjenige dem Patienten einen Schaden zufüge, wenn er auf die Wirkstoffe verzichte. Schließlich kenne er ja nicht den individuellen Krankheitsverlauf.

Zahl der Tumormarker schwankt

Ob Außenstehende, etwa die Ärzte, es hätten bemerken können, dass Wirkstoffe fehlten? Nicht zwingend, sagt Schuler. An den Medikamentenbeuteln sei es nicht zu erkennen, die Flüssigkeit eigentlich immer transparent. Auch das Ausbleiben von Nebenwirkungen oder der Anstieg von Tumormarkern im Blut sei lediglich ein Indiz. Denn nicht jeder verliere seine Haare, und die Zahl der Tumormarker sei oft schwankend.

Anschaulich fasst der Mediziner die Problematik zusammen: „Wahrscheinlichkeiten lassen sich daraus ableiten, nicht aber Gewissheit. Das ist das Dilemma im Strafrecht.“ Und: „Es sind auch Patienten verstorben, die den Wirkstoff bekamen. Das macht es so schwer.“