Bottrop. . Bei der inzwischen dritten Demonstration warfen Betroffene des Krebs-Skandals auch der Bundesregierung vor, sich wegzuducken.
- Die Betroffenen wollen zeigen, dass hinter dem angeklagten mutmaßlichen Betrug Menschen stehen
- Initiatoren der Demonstrationen sprechen davon, dass sie bedroht werden
- Doch sie wollen sich nicht einschüchtern lassen und weiter auf die Straße gehen und kämpfen
3800 Namen stehen auf dem Plakat, das die Betroffenen des Apotheker-Skandals durch die Fußgängerzone tragen. 3800 Patienten, die ihre Krebsmedikamente aus der Alten Apotheke erhalten haben und bei denen sich Angehörige nun fragen, ob die Wirkstoffe richtig dosiert waren oder ob die Verstorbenen auch zu denen gehören, bei denen Peter Stadtmann den Wirkstoff unterdosiert haben soll.
Zum dritten Mal trafen sich Mittwochabend Betroffene und deren Angehörige vor der Apotheke, um Kerzen anzuzünden und gemeinsam zu trauern. Vor allem aber wollen sie zeigen, dass hinter dem angeklagten mutmaßlichen Betrug Menschen stehen. Die haben Fragen, fühlen sich allein gelassen und haben vor allem große Angst, ob ihre Therapie richtig dosiert war, ob ihre Behandlung den Krebs tatsächlich hat stoppen oder zumindest verlangsamen können.
Rund 180 Menschen waren unterwegs
Rund 180 Menschen hatten sich dem Zug angeschlossen. Zuvor hatte Initiatorin Heike Benedetti die Möglichkeit genutzt, hart mit den Aussagen einiger Ärzte ins Gericht zu gehen, wonach eine Abweichung von der Dosierung nicht zwangsläufig schlimme Folgen haben müsse. „Das hat man uns zu Beginn der Therapie aber ganz anders erklärt.“ Schließlich seien alle Patienten genau gewogen und vermessen werden, um die richtige Dosierung zu berechnen. Zudem fordert sie, Studien zu den Medikamenten unabhängig überprüfen zu lassen.
Dass NRW-Gesundheits- und Sozialminister Karl Laumann der Stadt bescheinigt hat, sie habe alles richtig gemacht stieß den Betroffenen ebenfalls sauer auf. Ihm werfen sie vor, sich wegzuducken. Ein in Düsseldorf geplantes Gespräch war kurzfristig geplatzt, da war die Bottroper Abordnung schon im Landtag. Laumann musste stattdessen zu streikenden Stahlarbeitern nach Bochum. Und obwohl man sich in der Kantine über den Weg lief, gab es keine persönliche Absage.
Skandal reicht weit über Bottrop hinaus
Doch die Ausmaße reichten ja weit über Bottrop und NRW hinaus. „Auch die Bundesregierung duckt sich weg“, so Heike Benedetti. „Das Ausmaß eines solchen Skandals kann die Stadt aber gar nicht allein tragen.“ Sie brachte einen Fonds für die Betroffenen des Skandals ins Gespräch, wie er bei Katastrophen anderer Art immer wieder aufgelegt werde.
Doch es gibt nicht nur Unterstützer, es gibt auch Menschen, die haben kein Verständnis für die Demonstrationszüge der Betroffenen. Mit-Initiatorin Christel Piontek spricht von Bedrohungen, denen die Initiatoren ausgesetzt seien, etwa in Facebook-Gruppen, zuletzt etwa: „Ihr werdet schon sehen, was passiert.“ Aber auch andere, wesentlich härtere Formulierungen. Öffentlich stellte sie klar, dass die Betroffenen weiter kämpfen werden, „bis ein gerechtes Urteil gesprochen wird“ und sichergestellt sei, dass so ein Fall nie wieder vorkommen werde. „Wir kämpfen aber auch für alle Betroffenen, wie die kleine Lara, die niemals mit ihrer Mutter lachen oder weinen kann.“
Eine Sängerin tritt auf
Zusätzlich zu der Rolle mit den Opfernamen hatten die Initiatoren diesmal eine Sängerin engagiert. Veronika Raufeisen singt sonst auf Hochzeiten oder auch mal Beerdigungen. Der Auftritt am Mittwoch war auch für sie eine Premiere. „Wenn man hier ist und alles so mitbekommt, dann berührt es einen doch. Einfach wegstecken kann man es nicht.“ Sie sang vier Lieder, darunter „The Rose“ und „Halt mich“ von Herbert Grönemeyer.
Rund um die Demo blieb diesmal alles ruhig. Die Polizei musste nicht eingreifen, hatte sogar die Zeit, sich um einen Motorradfahrer zu kümmern, der verbotenerweise auf seiner Maschine durch die Fußgängerzone fuhr.