Bottrop. 9824 Klageeingänge im letzten Jahr beim Sozialgericht Gelsenkirchen. Präsidentin Silvia Fleck: „Die Belastung ist auf Dauer nicht zu ertragen.“
- 9824 gingen im vergangenen Jahr am Sozialgericht ein
- Präsidentin Silvia Fleck will um jede neue Stelle kämpfen
- Sie kritisiert die Zuweisungspolitik des Landes
Immer mehr Klagen vor dem Sozialgericht spiegeln die soziale Situation vieler Bürger wider. Nie zuvor versuchten mehr Menschen im letzten Jahr ihr Recht vor dem Gelsenkirchener Sozialgericht einzuklagen. Mit 9824 Verfahren erhöhte sich die Arbeit für die Richterinnen und Richter noch einmal um 358 Fälle. „Die Belastung für das Kollegenteam ist auf Dauer nicht zu ertragen“, sagte Präsidentin Silvia Fleck bei der Vorstellung des Jahresberichts.
In den meisten der 109 Verfahren für Bottrop ging es um die Grundsicherung für Arbeitssuchende. Andere Verfahren befassten sich mit Arbeitsförderung (37), Sozialhilfe (29) und Entscheidungen über Leistungen für Asylbewerber (5).
Im Landesvergleich wird die Belastung der Gelsenkirchener Richter deutlich. Hier hatte jeder Richter 433 Verfahrenseingänge zu bearbeiten, im Landesschnitt lagen den Richtern 411 Klagen auf dem Tisch. Während die Fälle zunahmen, schrumpfte das Personal von 28 auf 25 Richter; 15 Frauen und zehn Männer.
Silvia Fleck warnt vor der zunehmenden Belastung: „Das ist auf Dauer nicht zu schaffen. Wir werden um jede zusätzliche Stelle kämpfen. Landesweit werden demnächst elf Stellen zugewiesen, von denen Gerichte mit hohem Klagebestand profitieren sollen. Eine Entwicklung, die die Kollegen in Gelsenkirchen nicht nachvollziehen können.“ Wer durch enormen Arbeitsaufwand einen hohen Bestand verhindere, bliebe bei der Stellenzuweisung unberücksichtigt. Diese Rechnung werde in Zukunft nicht mehr aufgehen. Schon jetzt sei mit 2947 Klagen im Bereich der Grundsicherung (Hartz IV) ein Höchststand erreicht. Im Laufe des Jahres rechnet die Präsidentin mit einer weiteren Zunahme.
Immer häufiger müssen Richter auch über Streitigkeiten im Bereich der Krankenversicherung entscheiden. Mal verweigern die Kassen die Abrechnung bei vermeintlich zu langem Krankenhausaufenthalt, mal bleiben Kosten für Medikamente unbezahlt. Zunehmende gutachterliche Stellungnahmen verlängern die Dauer des Verfahrens. Auf weitere Klagen müssen sich die Sozialrichter im Laufe des Jahres einstellen, wenn Flüchtlinge nach ihren Anerkennungsverfahren verstärkt vor Gericht erscheinen werden.
Trotz reduzierter Personalstärke konnten die Teams 8920 Verfahren abschließen. 500 weniger als 2015. Der Bestand Ende 2016 hat sich mit 8101 Verfahren um 890 erhöht. Gut jeder dritte Kläger siegte vor Gericht, nach durchschnittlich 10,2 Monaten waren die Prozesse abgeschlossen.