Gelsenkirchen. 9466 Verfahren im letzten Jahr beim Gelsenkirchener Sozialgericht. Jeder dritte Kläger war ganz oder teilweise erfolgreich
Auf die 28 Richterinnen und Richter des Gelsenkirchener Sozialgerichts kommen immer mehr Klagen zu. Im letzten Jahr mussten sie sich mit 9466 Verfahren befassen: eine Anzahl, die nie zuvor erreicht worden ist. „Jeder Richter musste im Lauf des Jahres 425 Verfahrenseingänge bearbeiten. Die Belastungsgrenze“, sagt Präsidentin Silvia Fleck, „ist erreicht“. Im Landesdurchschnitt bewältigten Kollegen anderer Gerichte 376 Verfahren.
Und die Belastung, versichert die Präsidentin, werde immer größer. Die zunehmenden Verfahren sind auch ein Spiegelbild des gesellschaftlichen Lebens in der Region. Durch die hohe Arbeitslosigkeit gehen zwangsläufig mehr Klagen beim Sozialgericht ein. Trotz der hohen Belastungen konnten 9414 Verfahren abgeschlossen werden, sechs Prozent mehr als 2014.
Krankenkassen gegen womöglich rigoroser vor
Wer heute vor dem Sozialgericht klagt, der muss mit einer Bearbeitungszeit von durchschnittlich zehn Monaten rechnen. Auch hier sind die Gelsenkirchener schneller als andere. Im Landesschnitt betrug die Prozessdauer 13 Monate. Beim vorläufigen Rechtsschutz müssen Antragsteller mit einer Verfahrenszeit von weniger als einem Monat (0,9) rechnen.
In 2463 Klageeingängen (Gelsenkirchen 426) und 646 (251) Anträgen auf Gewährung eines einstweiligen Rechtsschutzes mussten sich die Richter mit Fragen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende befassen. Auffallend ist der starke Anstieg an Klageverfahren, die die Krankenversicherung betreffen. Stritten die Parteien in 2014 in 720 Fällen vor Gericht, wuchsen die Aktenberge für die Richter 2015 auf 1886 Verfahren.
Die Vermutung liegt nahe, dass Krankenkassen bei Erstattungen rigoroser vorgehen und mehr und mehr Leistungen ablehnen. „Bei einer Richterkollegin“, weiß Silvia Fleck, gingen in einem Monat 52 Klagen ein, die jeweils Leistungen von Krankenversicherungen betrafen.“ Die Gerichte stellen sich darauf ein, dass auch der Rechtsstreit zwischen Kassen und Krankenhäusern zunehmen und vor dem Sozialgericht ausgetragen werde. Das Schiedsverfahren, in dem einst über strittige Fälle verhandelt wurde, ist abgeschafft worden.
Bescheide der Jobcenter weniger angreifbar
Jeder dritte Kläger war ganz oder teilweise erfolgreich vor Gericht. Die Erfolgsquote im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende liegt bei 36 Prozent. Offensichtlich sind die Bescheide der Jobcenter weniger angreifbar geworden.
In früheren Jahren, in denen viele Mitarbeiter meistens nur befristet beschäftigt waren und regelmäßig neue Kräfte eingearbeitet werden mussten, verließ noch jeder zweite Kläger als Sieger den Gerichtssaal.
Die Mehrheit der Verfahren endete mit einem Vergleich, wobei in den meisten Fällen die Klage zurückgenommen wurde. In acht Prozent der in 2015 erledigten Verfahren konnten sich die Parteien nicht einigen. So sprach das Gericht ein Urteil oder entschied per Gerichtsbescheid. Auch der Anstieg der Prozesskostenhilfe um 26 Prozent auf 1,16 Millionen Euro ist ein Indiz für das soziale Gefälle in der Region.