Bottrop. . Abiturienten des Vestischen Gymnasiums in Kirchhellen besuchen im Januar die Vorführung des Neun-Stunden-Films „Shoah“ und arbeiten an einer Collage.

„Man redet nicht darüber, das wird verdrängt“, hat Jule beobachtet. Dabei müssen die Menschen doch wissen, was im Dritten Reich geschehen ist und wie es zur massenhaften Vernichtung der Juden kommen konnte. Dem Verdrängen und der Unwissenheit setzen die Schülerinnen und Schüler des Pädagogikkurses der Oberstufe im Vestischen Gymnasium, in dem auch Jule ist, ein besonderes Projekt entgegen. Sein Thema ist die Shoah und hier vor allem das Schicksal der Juden in Bottrop.

Im Januar werden die Schülerinnen und Schüler des Kurses zu den vielen gehören, die in der Lichtburg in Essen den Film „Shoah“ von Claude Lanzmann sehen, den „Neun-Stunden-Film gegen das Vergessen“ aus dem Jahr 1985. Zwei Tage später – am 27. Januar, dem Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus – werden sie bei einer Veranstaltung in ihrer Schule die Collage aufführen, an der sie seit Wochen arbeiten. An dem Tag jährt sich zum 70. Mal die Befreiung von Auschwitz

Ein lebendes Projekt das sich entwickelt

Es ist mehr ein Projekt, das lebt, als herkömmlicher Unterricht, erklärt Pädagogiklehrer Christian Hillbrandt. Es ist ein Dialog zwischen den Schülern und ihrem Lehrer. Dabei soll der pädagogische Ansatz helfen zu verstehen, warum damals so viele Menschen Hitler blindlings gefolgt sind und wie aus „normalen“ Menschen Massenmörder werden konnten. „Man denkt, dass man schon viel weiß, es gibt aber immer noch vieles, was man aufdecken kann“, erklärt Maja und findet es erschreckend, dass Judenhass und Fremdenfeindlichkeit wieder ganz aktuell sind. „Wir wollen das auch unseren Mitschülern näherbringen und sie informieren.

Wie das damals in Bottrop war, das haben sich die Schülerinnen und Schüler des Vestischen Gymnasiums von dem früheren Stadtarchivar Dr. Manfred Lück und dem Hobbyhistoriker Josef Bucksteeg erklären lassen. Die haben ihnen erzählt vom Schicksal der Juden, die früher in Bottrop lebten. An einige jüdische Familien erinnern auch die Stolpersteine, die vor Jahren in der Stadt verlegt wurden.

Claude Lanzmann kommt nach Essen

Das Ergebnis ihrer Nachforschungen werden die Abiturienten am 27. Januar als Collage in ihrer Schule auf die Bühne bringen.Daran beteiligt ist auch der Musikkurs von Musiklehrer Lars Kapp, der die Aufführung mit expressionistischen Klängen untermalen wird. Da hinein mischen die Schüler aber auch Audio-Fragmenten aus dem Shoah-Film von Lanzmann, wie etwa das Pfeifen der Loks, die die Juden ins KZ brachten.

56 Oberstufenschüler des Vestischen Gymnasiums und acht Lehrer werden am 25. Januar die Vorführung des Shoah-Films in der Lichtburg besuchen. Die Funke Mediengruppe ist dabei Medienpartner. Auch Claude Lanzmann wird dann in Essen dabei sein.

Gymnasium will Courage-Schule werden 

Organisiert hat das Shoah-Projekt zum Nationalsozialismus, bei dem in Bottrop auch das Josef-Albers-Gymnasium sowie Schulen in Essen und Oberhausen mitmachen, Wilfried Breyvogel, der frühere Professor für Jugendforschung in Essen. Mit ihm ist Christian Hillbrandt vom Vestischen Gymnasium seit Jahren befreundet. Die Keimzelle für die Idee lag im Kirchhellener Gymnasium, das bereits im letzten Schuljahr eine Collage zur Vernichtung der europäischen Juden erarbeitet und am 27. Januar vorgestellt hat. Und das Projekt soll weiter gehen, versichert Hillbrandt, auch wenn sein jetziger Kurs im nächsten Jahr das Abi macht. Unter der Überschrift „Erinnerung 2.0“ soll es dann stehen und einen Besuch von Auschwitz mit einschließen.

Und noch eine Idee nimmt langsam Gestalt an im Kirchhellener Gymnasium. Man möchte nämlich zur „Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage“ werden. Das ist das größte Schulnetzwerk in Deutschland. Ihm gehören über 1500 Schulen an, die von rund einer Million Schülern besucht werden. Die Schüler gestalten aktiv das Klima in ihrer Schule mit und engagieren sich gegen Diskriminierung, Mobbing und Gewalt. Courage-Schulen verpflichten sich auch zu nachhaltigen Projekten gegen Rassismus.

Das Vestische Gymnasium ist da auf einem guten Weg.