Es sind nur sehr wenige Dokumente, doch sie spiegeln dramatische Schicksale wider. Fünf dünne Akten des Polizeiamtes Bottrop aus den Jahren 1935 bis 1945, die sich mit behördlichen Maßnahmen zur Kontrolle und Verfolgung der jüdischen Einwohner beschäftigen, hütet das Stadtarchiv. Sie geben jedoch tiefe Einblicke in die Zeit des Nationalsozialismus und die damaligen Machtstrukturen.

„Betrifft: Statistik in Judensachen“ oder „Beschäftigung weiblicher Staatsangehöriger deutschen oder artverwandten Blutes im jüdischen Haushalt soweit nicht die Geheime Staatspolizei zuständig ist“, dies sind zwei der Aktentitel. Sorgsam sind hier Verordnungen und Bestimmungen übergeordneter Behörden abgeheftet. Aber auch die von der örtlichen Polizeiverwaltung regelmäßig zu erstellenden Nachweisungen der in Bottrop „befindlichen jüdischen Haushaltungen“, Listen mit Namen und persönlichen Angaben sind erhalten.

Spur verliert sich im besetzten Polen

„Der Jude Schreiner Erich Israel Humberg, geb. am 11.6.1918 in Vreden und seine Ehefrau Ella Sara geb. Levy, geb. am 21.12.1921 in Gerolstein, sind am 25. Oktober 41 von hier, Essener Str. 17 nach dem Generalgouvernement zur Abmeldung gekommen“. So vermerkt es der zuständige Revierleutnant der Bottroper Schutzpolizei in reinstem Beamtendeutsch. Verschleiert wird allerdings das wahre Geschehen.

Denn beide sind nicht etwa aus freien Stücken in den vom Deutschen Reich besetzten Teil Polens verzogen. Tatsächlich wollten Erich Humberg, der seit frühesten Kindheit in Bottrop lebte, und seine junge Ehefrau aus Nazi-Deutschland fliehen und nach Palästina auswandern. Er hatte bereits an Vorbereitungskursen in Köln teilgenommen. Im Oktober 1941 jedoch wurden er und seine Frau von Köln aus in das polnische Ghetto Litzmannstadt/Lodz deportiert. Dort verlieren sich ihre Spuren. Sie hätten sich, so heißt es im Schreiben des Polizeipräsidiums Köln, „Angehörigen in Köln dem Transport am 22.10.1941 nach Litzmannstadt angeschlossen“. Auch das sicherlich nicht freiwillig.

„Betrifft: Abtransport der in Bottrop wohnhaften Juden“ lautet die Überschrift eines Vermerks in der Akte „Statistik in Judensachen“, der die Namen von neun Personen aufführt, die am 24. Januar 1942 aus Bottrop deportiert wurden, vier Erwachsene und fünf Kinder. Sie sind wahrscheinlich zunächst nach Dortmund gebracht worden, wo mit 506 jüdischen Einwohnern umliegender Städte des Polizeipräsidialbezirks Recklinghausen ein Transport in das lettische Ghetto Riga zusammengestellt wurde. Fast 1000 Menschen zählte die Liste des Zuges, nur 121 von ihnen überlebten. „Mit dem Abtransport der vorstehend genannten Juden sind im hiesigen Polizeiamtsbezirk keine Juden mehr wohnhaft“ konnte der Bottroper Polizeibeamte notieren und mit dem abschließenden „z. d. A.“, also „zu den Akten“-Vermerk die Angelegenheit bürokratisch korrekt abschließen.