Bochum. So heimtückisch die Geißel Krebs ist: Beim Darmkrebs haben die Menschen ihr Schicksal selbst in der Hand. Doch nur 14 Prozent der Männer und 18 Prozent der Frauen nutzen die Kassenleistungen. Dabei sei die Angst vor einer Darmspiegelung unbegründet.
„Nutzen Sie die Vorsorgeangebote! Früherkennung verhindert die Katastrophe“, appellierten die vier Fachärzte beim 21. WAZ-Nachtforum Medizin am Donnerstag in der mit über 200 Lesern voll besetzten Cafeteria des Knappschaftskrankenhauses Langendreer.
Jährlich 73 000 Neuerkrankungen. Jährlich 27 000 Tote. Tendenz: steigend. Darmkrebs ist in Deutschland die zweithäufigste Krebserkrankung. „27 000 Menschen sterben an einem Leiden, das eigentlich komplett vermeidbar ist. Wird Darmkrebs frühzeitig erkannt, ist er heilbar“, weiß Prof. Dr. Wolff Schmiegel, Direktor der Medizinischen Klinik des Universitätsklinikums.
Krankheit wird oft zu spät erkannt
Blut im Stuhl, Gewichtsverlust, Blutarmut: Die Symptome für Darmkrebs stellen sich erst spät, mitunter zu spät, ein. Viele Erkrankte sind topfit, könnten Bäume ausreißen – und merken nicht, dass im Darm längst bösartige Polypen wuchern. Die Krankenkassen übernehmen ab dem 50. Lebensjahr die Kosten für eine Stuhlprobe und Tastuntersuchung („Kleine Hafenrundfahrt“ genannt). Ab 55 Jahren, bei Verdachtsfällen und familiären Vorbelastungen auch deutlich früher, zahlen sie eine Darmspiegelung.
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Um so erschreckender: Lediglich 14 Prozent der Männer und 18 Prozent der Frauen nehmen die Kassenleistungen in Anspruch. „Die Angst vor einer Darmspiegelung ist weit verbreitet“, macht Dr. Regina Mertens, Hausärztin in Langendreer, als Hauptursache aus. Dabei sei die Furcht „absolut unbegründet. Durch eine Schlafspritze ist die Untersuchung heutzutage nicht mehr schmerzhaft“, versichert Dr. Mertens. Unangenehm sei allein das vorherige Abführen. „Aber da muss man durch. Der Darm muss sauber sein. Sonst erkennen wir nichts.“ Wer die Prozedur überstanden hat, habe „ein Gefühl großer Beruhigung und für zehn Jahre Ruhe“.
Darmspiegelung ist zuverlässige Vorsorgemethode
Wie Dr. Mertens favorisiert Dr. Christian Pox, Oberarzt in der Medizinischen Klinik, die Darmspiegelung beim Hausarzt oder Gastroenterologen als zuverlässigste Vorsorge. Zwar gebe es inzwischen Alternativen, etwa einen Enzymtest, die Kapsel-Endoskopie oder eine Untersuchung per Computertomographie (CT). Werden dabei verdächtige Polypen gefunden, müssen sie aber bei einem weiteren Eingriff abgetragen werden. Bei der Spiegelung passiert all das in einem Rutsch. „Und: Die Alternativmethoden werden nicht von den Kassen übernommen“, so Dr. Pox.
Eine Operation sei bei einem Krebs-Befund unabdingbar. „Sonst droht ein Darmverschluss“, erklärte Prof. Dr. Richard Viebahn, Direktor der Chirurgischen Klinik des Knappschaftskrankenhauses. Der Chirurg kennt die Konsequenz mangelhafter Vorsorge: Bei jedem vierten Patienten hat der Krebs bereits andere Organe (Leber, Lunge) befallen. Oft müssen derart große Teile des Darms entfernt werden, dass ein künstlicher Darmausgang erforderlich ist.
Wenn Lymphknoten befallen waren, wird eine Chemotherapie empfohlen. „Als Ergänzung hat sich eine molekulare Therapie bewährt, die direkt in den Krebszellen ansetzt und die Lebenserwartung und -qualität erheblich erhöht“, so Prof. Schmiegel.
Gesunde Ernährung kann bei Vorbeugung helfen
An der Häufigkeit des Stuhlgangs ist ein etwaiges Risiko kaum abzulesen: „Alles zwischen dreimal täglich und dreimal wöchentlich“ gilt als normal. Kann man dem Darmkrebs gleichwohl vorbeugen? Die Ratschläge der Mediziner klingen wohlbekannt: gesunde Ernährung, viel Bewegung, Hände weg von Zigaretten und Alkohol. „Die sicherste Möglichkeit ist und bleibt aber die Vorsorgeuntersuchung“, bekräftigte Prof. Schmiegel.
Der Arzt spricht aus eigener, leidvoller Erfahrung: Sein Vater starb an Darmkrebs.