Bochum. . Mit einem Protestzug haben am Samstag 1100 Menschen in Bochum-Langendreer gegen Neonazis im Stadtteil demonstriert. Aufgerufen hatte die Initiative “Langendreer gegen Nazis“. Die Demo blieb friedlich, lediglich ein Demonstrant wurde vorübergehend festgenommen. Die Polizei schützte zudem die Wohnstätte eines ortsbekannten Neonazis.

Das war mehr als deutlich: 1100 Menschen demonstrierten am Samstagmittag in Bochum gegen die Aktivitäten von Neonazis im Stadtteil Langendreer. Zweieinhalb Stunden dauerte der friedliche Protest, die Polizei begleitete die Menge mit einem Großaufgebot. Die Beamten meldeten lediglich die vorübergehende Festnahme eines Demonstranten, der ein Messer wegwerfen wollte, als er die Polizei erblickt hatte.

„Ich danke Euch, dass ihr dem Aufruf zu dieser Demo gefolgt seid. Das macht mich froh und zuversichtlich im Hinblick auf unser gemeinsames Anliegen“, sagte Ulrike Nefferdorf von der Initiative „Langendreer gegen Nazis“ am Ausgangspunkt der Demonstration, dem S-Bahnhof West. Die 67-Jährige lebt erst seit knapp einem Jahr in Langendreer, hat nach eigenen Angaben aber schnell Wind von den braunen Machenschaften im Ortsteil bekommen.

„Ich sah erste Schmierereien und erfuhr von verbalen und tätlichen Angriffen gegen Personen, die nicht dem Lebensmuster dieser Typen entsprechen. Grölende Besoffene, die sich nachts zusammenrotten, um nach ihren Gelagen die Umgebung zu terrorisieren und zu verschandeln und besonders gerne im Rudel Menschen einschüchtern“, sagte Nefferdorf. Die Demo solle zeigen, dass Nazis in Langendreer nicht geduldet werden. „Die Nazis sollen wissen, dass sie nicht alleine sind, dass wir sie im Blick haben und den festen Willen, ihnen keinen Fuß breit unseres Stadtteils zu uberlassen. Wir wollen keine Nazis, nicht hier und nicht woanders.“

"...Nazis von der Straße fegen"

„Für die Freiheit, für das Leben, Nazis von der Straße fegen“, sangen die Demonstranten auf ihrem Weg über die Alte Bahnhofstraße zum Bahnhof Langendreer. Unterwegs gab es auf dem Carl-vom-Ossietzky-Platz und auf dem Marktplatz an der Hauptstraße Ansprachen. Bezirksschülersprecher Jonathan Röder berichtete davon, dass auch an den Schulen Mobbing und Diskriminierung Alltag seien. Auf vielen Schulhöfen gebe es mittlerweile Türkisch-Sprechverbote. Den Nazis mit ihrem rassistischen Gedankengut müsse entschieden entgegen getreten werden. „Ich bin froh, dass sich hier heute so viele unterschiedliche Menschen versammelt haben, um gemeinsam ein Zeichen gegen Neo-Nazis und Rassismus zu setzen.“

Ein Vertreter des Bochumer Forums für Antirassismus und Kultur (Bofo) warf Politikern, Polizei und Medien vor, die Aktivitäten der Nazis in Langendreer herunterzuspielen. Zumeist seien Migranten die Opfer rechter Übergriffe und Gewalt. „Was macht es mit einer alleinerziehenden Mutter aus der Türkei, wenn auf ihre Hauswand gezielt rechte Parolen und Nazi-Zeichen gesprüht werden?“, fragte er. Paul Wilfried Möller von der Langendreer Dorfpostille erinnerte an antifaschistische Demonstrationen in Langendreer 1998 und 2003. Auch 2011 müsse man wieder alles tun um die Umtriebe der Nazis zu unterbinden.

„Aber nicht mit Gewalt“, mahnte Möller. Auch für Hass sei kein Platz. „Wir hassen euch nicht“, sagte er in Richtung braune Brut, „wir hassen die Ideologie der Gewalt und des Rassismus, die Ideologie der Einschüchterung und der Menschenverachtung, der diese Leute sich verschrieben haben.“ Politik und Polizei forderte Möller auf, den Umtrieben der Nazis einen Riegel vorzuschieben.

SPD-Bezirksbürgermeister in der Kritik

Wohl mehr als die Hälfte der Demonstranten kam aus Langendreer. Transparente und Fahnen wiesen viele von ihnen als Antifa-Aktivisten aus. Größere Gruppen stellten auch die Parteien MLPD, Linke und SPD samt Jusos. Heftig kritisiert wurde Bezirksbürgermeister Norbert Busche (SPD). Ihm werfen Vertreter des Bündnisses vor, die Gefahr durch die Nazis zu verharmlosen. „Busche, du Lusche“ und „Busche richtet sein Fähnlein nach dem Wind“, stand auf Plakaten zu lesen.

„Wir haben uns als Partei von Anfang an mit den Nazis und den Konflikten zwischen Linken und Rechten auseinandergesetzt. Vermutlich hat das Bündnis nicht damit gerechnet, dass die SPD heute so stark dabei ist“, sagte Busche. Der SPD-Politiker hatte im Vorfeld die Auseinandersetzung zwischen Rechten und Linken in Langendreer als „Blagerei“ bezeichnet.

Die Vorfälle der vergangenen Monate nahmen laut Busche ihren Anfang, als im Herbst 2010 dem Kriegerehrenmal an der Ecke Unterstraße/ Alte Bahnhofstraße zum zweiten Mal nach 1987 der Kopf abgeschlagen wurde. „Der Kopf ist ab, der Kopf ist ab“, sang wie zur Bestätigung der weitläufigen Annahme, dass die Übeltäter aus dem linken Spektrum kommen, am Samstag ein Großteil der Menge, als sie an dem Denkmal vorbeizog.

Die Demonstranten mussten auf ihrem Weg zum Bahnhof Langendreer am Samstag im Übrigen die Alte Bahnhofstraße kurzzeitig verlassen und einen Umweg über Unterstraße und Ovelackerstraße machen. Damit wurde die Wohnung eines ortsteilbekannten Rechten umgangen. Auch die Wohnung selbst wurde während der Demo von zahlreichen Polizeibeamten beobachtet.