Bochum. . Der Faktencheck: Wie steht es nach 30 Jahren um die in Herbert Grönemeyers Stadthymne „Bochum“ gemachten Aussagen über unsere Stadt? Erste Erkenntnis: Erstaunlich vieles in der „Blume im Revier“ ist immer noch aktuell. Und selbst der VfL macht wieder seine Gegner nass.

Seit 30 Jahren ist Grönemeyers „Bochum” die inoffizielle Hymne unserer Stadt, also schon ’ne ziemlich lange Zeit. Vieles veränderte sich, manches blieb. Wie steht es mit den von Herbie damals getroffenen Aussagen über Bochum? Schau’n mer mal...

„Tief im Westen, wo die Sonne verstaubt...”

O.k, Duisburg liegt noch weiter westlich, aber Industriestaub muss die Sonne auch hierzulande durchdringen, wenn auch nicht mehr in dem Maße wie früher. Dafür haben wir jetzt den Feinstaub im Hals.

„...ist es besser, viel besser, als man glaubt!”

Das gilt für viele Städte mit eher bescheidenem Ruf, aber Tatsache ist: Bochum schrumpft. 1984 waren es noch fast 400 000 Einwohner, heute sind es 362 000. Noch immer ziehen mehr Menschen weg, als neue zuziehen.

„Du bist keine Schönheit...”

Mathe und Fußball mit Grönemeyer

Eine sehr persönliche Anekdote steuert Peter „Toto“ Zours, Bochumer Junge und VfL-Fan, bei.

„1972 wechselte ich von der Graf-Engelbert-Schule auf das Gymnasium am Ostring, da dort die Oberstufenreform bereits eingeführt worden war und ich das wenig geliebte Latein abwählen konnte. Im Mathematikkurs wurde ich neben den Schüler Grönemeyer gesetzt. Und obwohl dies eigentlich mein stärkstes Fach war, verschlechterte sich in dem Jahr meine Note, da Herbert, selbst 1er-Schüler in Mathe, immer ,Dönkes’ machte – ein sehr lustiges, aber wenig erfolgreiches Mathejahr!

1er-Schüler in Mathe

Damals spielte Herbert am Klavier zusammen mit Andi Wenzel am Schlagzeug, Goofy Förster am Bass und ,Slowhand’ Klinker an der Gitarre in der Schulband. Ich erinnere mich an das erste Konzert in Stiepel im Gasthaus Spitz vor gerade mal 100 Zuschauern. Damals bat ich Herbert um ein Autogramm auf mein Matheheft mit der Bemerkung ,Du wirst ja eh’ mal berühmt’ -- leider habe ich wohl doch nicht so recht damit gerechnet, sonst hätte ich das evtl. erste Grönemeyer-Autogramm wohl doch mehr in Ehren gehalten und nicht verloren.

Als Herbert dann sein legendäres ,Bochum’-Konzert gab, waren wir alten Klassenkameraden natürlich alle geschlossen da. Wir waren begeistert, dass er es jetzt wohl tatsächlich zu einer damals ,kleinen Berühmtheit’ geschafft hatte und waren als große VfL-Anhänger und gebürtige „Bochumer Jungs“ von seinem Bochum-Lied begeistert. In den Folgejahren hat er dann noch einige Mal bei unseren Thekenfußballspielen mitgemacht, leider brach der Kontakt dann im Zuge seines Umzugs nach London ab.

Nee, nicht wirklich! Man denke bloß an die monotonen Fassaden in der Innenstadt. Kaum, dass sich das Auge irgendwo an etwas Schönem festhalten kann, wie an den Kriegs-Überlebenden „Mutter Wittig“ oder „Rietkötter“. 80 % der Innenstadt lagen 1945 in Trümmern.

Strukturwandel hat eingesetzt, ist aber noch ausbaufähig.

„...vor Arbeit ganz grau!“

Maloche! So hieß das vor 30 Jahren. Die Industriearbeitsplätze sind allerdings stark zurückgegangen. Nokia ist weg, bald macht Opel zu. Der Strukturwandel (Hochschulen, Medizin) hat eingesetzt, ist aber noch ausbaufähig.

„Liebst dich ohne Schminke...”

Für die meisten Häuser stimmt das nicht mehr. Früher waren ihre Gesichter grau, längst wurden viele renoviert und angestrichen. In Stahlhausen und Goldhamme gab’s dafür sogar Zuschüsse.

„Bist ‘ne ehrliche Haut...“

Auf jeden Fall! Abgesehen von den Knackis in der Krümmede.

„.... leider total verbaut...”

Hatten wir eben schon. Klar gegliedert ist Bochum jedenfalls nicht.

„Du hast’n Pulsschlag aus Stahl. Man hört ihn laut in der Nacht.”

Die Geräusche der Fabriken, Werke und Zechen sind nicht mehr „typisch Bochum“. Gibt’s vielleicht noch 4500 Stahlarbeitsplätze in Bochum. In den 1960er Jahren waren es mehr als 25.000.

Bochums Zechen sind seit 1973 schon Geschichte

„Bist einfach zu bescheiden!”

Stimmt, das ist der Bochumer Stil. „Mal auf die Sahne zu hauen”, hat hierzulande einfach keine Tradition, und wer das tut, wird als Angeber abgetan.

„Dein Grubengold hat uns wieder hoch geholt, Du Blume im Revier!”

Bochums Zechen sind seit 1973 schon Geschichte. „Blumig” sind die vielen Parks und die grünen Hänge der Ruhr. Über 30 Prozent Grünflächen weist die Stadt auf.

„Du bist keine Weltstadt!”

Kein Einspruch.

„Auf deiner Königsallee finden keine Modenschauen statt.”

Nein, da nicht. Aber manchmal auf der Huestraße. Die Königsallee hat das Schauspielhaus.

„Hier wo das Herz noch zählt, nicht das große Geld! Wer wohnt schon in Düsseldorf?”

Immerhin 580.000 Menschen wohnen in Düsseldorf, rund 200.000 mehr als in Bochum.

Taubenplage in der Innenstadt

„Du bist das Himmelbett für Tauben.“

Heute gibt es vielleicht noch 1000 Taubenväter. In den 70er Jahren waren es zehnmal so viele. Dafür haben wir jetzt eine Taubenplage in der Innenstadt.

„... und ständig auf Koks.“

Gekokst wird in Bochum auch. 40 Ermittlungen wegen Kokain-Konsum werden pro Jahr geführt. Der schwarze Koks des Hausbrands hat so gut wie ausgedient.

„Hast im Schrebergarten deine Laube....”

Stimmt immer noch. 80 Kleingartenvereine mit wohl 10.000 Mitgliedern finden sich übers Stadtgebiet verstreut.

„Machst mit dem Doppelpass jeden Gegner nass, Du und dein VfL!”

Vielleicht die schönste Zeile, weil so super-optimistisch, und von Liebe zum Verein geprägt. Doppelpässe kommen beim VfL aber schon noch vor, selbst in Liga 2.

Lieder aus Liebe zur Stadt von Westerland bis München 

Dass Musiker ihrer Stadt ein Denkmal setzen, kommt häufiger vor. So gesehen, ist Herbert Grönemeyers „Bochum“ nicht ungewöhnlich. Eine kleine Auswahl an Stadt-Liedern stellt dieser Text vor. Nach deren Lektüre steht eines fest: „Bochum“ ist von eigener Klasse.

Die Band Element of Crime setzte zum Beispiel „Delmenhorst“ im Oldenburger Land ein musikalisches Denkmal: „Ich bin jetzt immer da, wo du nicht bist/und das ist immer Delmenhorst/... Hinter Huchting ist ein Graben, der ist weder breit noch tief/ und dann kommt gleich Getränke Hoffmann/Sag’ Bescheid, wenn du mich liebst…“

Im Süden Deutschlands ist man traditionsbewusst

Auch „Die Ärzte“ wissen, was sie lieben: „Westerland“ auf Sylt: „Diese eine Liebe wird nie zuende geh’n!/Wann werd ich sie wiedersehen?/Ohhh ich hab’ solche Sehnsucht,/ich verliere den Verstand!/Ich will wieder an die Nordsee,/ich will zurück nach Westerland!“

Im Süden Deutschlands ist man bekanntlich traditionsbewusst, was sich am „Münchnerlied“ ablesen lässt, dass „marschmäßig frisch“ gesungen werden sollte: „München, Stadt am Isarstrande,/Bayernlandes schönste Zier, weltbekannt im ganzen Lande / wegen deinem guten Bier. Wer die Weißwurst nie gegessen,/ wer das Hofbräuhaus nicht kennt, im Englisch´Garten nie gesessen,/ der war in München nie Student.“

Übrigens hat auch die Hauptstadt, wie Bochum mit „Bochum“, eine inoffizielle Stadthymne. Und die geht so: „Berlin! Hör’ ich den Namen bloß, da muß vergnügt ich lachen!“/wie kann man da für wenig Moos den dicken Wilhelm machen!/ „Ja, ja, ja, das ist die Berliner Luft, Luft, Luft,/so mit ihrem holden Duft, Duft, Duft,/wo nur selten was verpufft, pufft, pufft, in dem Duft, Duft, Duft,/ dieser Luft, Luft, Luft./Das macht die Berliner Luft!“