Sturmschäden - Bochumer Dachdecker haben noch viel zu tun
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Bochum. Bochums Dachdeckerfirmen arbeiten seit Wochen die Sturmschäden ab und benötigen dafür noch etwa zwei bis drei Monate. Innungs-Obermeister Raimund Weinand bittet um Geduld. Die Bedingungen für eine schnelle Beseitigung der Schäden sind schlecht. Auf Dauer droht den Betrieben der Nachwuchs auszugehen.
Es regnet. Nein. Es schüttet. Selbst wettergegerbte Dachdecker haben an Tagen wie diesen lieber mit Innenarbeiten zu tun. Davon aber sind sie momentan buchstäblich noch weit entfernt. Auch vier Wochen nach dem großen Pfingststurm sind die Betriebe immer noch damit beschäftigt, die Schäden zu beseitigen.
„Zwei, drei Monate wird es bestimmt noch dauern, bis wir fertig sind“, sagt Raimund Weinand, Obermeister der Bochumer Dachdecker-Innung. Noch heute gehen in seinem Betrieb jeden Tag einige Meldungen von Sturmschäden ein, allein am ersten Tag waren es etwa 150. „Das fing früh morgens an. Und dann hat das Telefon nicht mehr still gestanden.“
Eigentliche Arbeit bleibt liegen
Viele der eigentlich in diesen Monaten vorgesehenen Arbeiten, in erster Linie Sanierungen von Dächern („Das ist unser Geschäft, vor allem davon leben wir“) müssen verschoben werden. „Die meisten Auftraggeber haben Verständnis dafür“, sagt Raimund Weinand.
Nicht ganz so viel Geduld brächten aber oft Sturmgeschädigte auf. Dabei, so der Dachdeckermeister und Sachverständige, arbeiten zumindest die 43 in der Innung organisierten Betriebe, das sind etwa 70 Prozent aller Dachdecker in der Stadt, mit ihren mehreren hundert Beschäftigten am Limit: sechs Tage in der Woche, und in den ersten Wochen von morgens halb acht bis abends um sieben.
Bochum besonders betroffen
Nachdem es zunächst vor allem um Erst- und Sicherungsmaßnahmen wie das Abdecken von Löchern oder größeren Flächen mit Folien gegangen sei, würden nun nach und nach die Baustellen abgearbeitet. 350 Aufträge sind allein bei Weinands Betrieb nach dem Sturm eingegangen. Nach Schätzungen dürften es insgesamt 10.000 bei allen Dachdeckern Bochums gewesen sein. Die Schäden reichen von einigen heruntergewehten Pfannen über eingedrückte oder abgerissene Regenrinnen bis hin zu halb abgedeckten Dächern.
Sturmschäden in Bochum
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Die Schadenssumme geht in die Millionen und ist ganz genau noch gar nicht zu beziffern. „Ich habe noch nie so viele Schäden reguliert wie jetzt in Bochum. Dagegen war Kyrill ein Witz“, sagt etwa Arnold Vogt, Versicherungsmakler aus Dortmund und Landessprecher des Bundesverbandes Deutscher Versicherungsmakler.
„Besonders die Regionen rund um Bochum, Gelsenkirchen und Recklinghausen verzeichnen zahlreiche Sturmschäden“, heißt es bei der Provinzial Westfalen. Allein bei ihr summierten sich die Schäden im Revier schon nach den ersten beiden Wochen auf etwa 35 Millionen Euro. Nach ersten Auswertungen der deutschen Versicherer hat die Unwetterfront bundesweit insgesamt 350.000 versicherte Schäden in Höhe von rund 650 Millionen Euro verursacht.
Regen und Ferien erhöhen Druck
Beschädigt bei dem Pfingststurm wurden nicht nur zahlreiche Privathäuser, sondern auch viele öffentliche Gebäude wie Schulen und Kindergärten oder Kirchen. Allein der Schaden an der Franziskus-Kirche in Riemke wird auf etwa 500.000 Euro geschätzt. Auch andere Gotteshäusern sind ernsthaft in Mitleidenschaft gezogen worden wie die Antonius-Kirche am Springerplatz oder die Meinolphus-Kirche gegenüber dem Schauspielhaus.
Doppelt in Mitleidenschaft gezogen wurde die Josef-Kirche an der Stühmeyerstraße, an dem ein Team von Raimund Weinand in dieser Woche arbeitete. Auf der Westring-Seite hat ein umgestürzter Baum Fassade und Dachrinne beschädigt. Auf der gegenüberliegenden Seite müssen auf den Dächern des Seitenschiffs etwa 500 Ziegel ersetzt werden.
Wetter erschwert Reparaturarbeiten
Die besondere Herausforderung: Das entsprechende Ziegelmodell wird nicht mehr hergestellt, der Ersatzziegel hat nicht genau das gleiche Format. Weinand: „Das muss dann über eine größere Dachfläche ausgeglichen werden.“ Immerhin gibt es offenbar keinen Materialengpass. Das liege daran, dass der Sturm regional begrenzt geblieben sei, so der Obermeister, und dass Lieferanten zum Teil Bestände aus anderen Bundesländern nach NRW schicken.
Erschwert werden die Reparaturarbeiten einerseits durch das Wetter in diesen Tagen. „Das erhöht natürlich noch den Druck.“ Aber auch die Ferien sind ein Problem für die Dachdecker. Etliche Betriebe schließen für zwei, drei Wochen ganz, andere sind in nächster Zeit lediglich mit Teilen ihrer Belegschaft im Einsatz. „Daran lässt sich nichts ändern“, sagt Weinand. „Die Leute haben ihren Urlaub vor langer Zeit gebucht, viele haben schulpflichtige Kinder.“ Die Daheimgebliebenen bemühen sich derweil, alle Aufträge so schnell wie möglich abzuarbeiten.
Über kurz oder lang könnte es aber selbst in sturmfreien Zeiten zu Engpässen kommen, der Fachkräftemangel beginnt bereits auch im Dachdeckergewerbe. Nur 19 junge Männer beenden in diesem Sommer ihre Ausbildung und erhalten den Gesellenbrief, für das nächste Ausbildungsjahr gibt es erst zwölf unterschriebene Lehrverträge.
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