Bochum.. Fünf Interviews zur Kommunalwahl präsentiert der WAZ-Leserbeirat in dieser Woche. Zum Auftakt reden Manfred Preuß (Grüne) und Jens Lücking (Freie Bürger) mit Philipp Rentsch und Jürgen Drebes über ihre Ideen zur Bildungspolitik in Bochum.
Wo beginnt für Sie Bildung?
Jens Lücking: Kinder unter drei Jahren können bereits unheimlich viel aufnehmen. Bildung hört nie auf. Man lernt ein Leben lang. Das geht vom Kindergarten bis zur Hochschule und Erlernen eines Berufes. Die VHS gehört auch dazu. Wir haben ein unheimlich breites Angebot. Da können wir stolz drauf sein.
Manfred Preuß: Wichtig ist, dass bereits im U3-Bereich und nicht erst in der Schule Bildung eine Rolle spielt. Wir wollen ein Modell mit Sozialarbeitern in Kitas anbieten, damit Eltern und Kinder unterstützt werden können. In der Kita werden die Bildungsunterschiede deutlich. Da müssen wir anfangen, um Bildungsteilhabe zu erreichen.
Wie gut ist Bochum bei den Kitas aufgestellt?
Preuß: Nicht optimal. Es gibt Stadtteile, da haben wir Probleme. Bei den Firmen-Kitas dagegen sind wir auf einem guten Weg.
Lücking: Wir brauchen mehr Flexibilität, damit man nicht mehr Betreuungszeit buchen muss, als man braucht. Einige Plätze sind nur virtuell belegt, die könnte man nutzen, damit mehr Kinder in die Kita können. Firmen-Kitas können Schule machen.
Sollte der Besuch der Kita beitragsfrei sein?
Lücking: Wünschenswert wäre das, denn dann könnten alle Kinder den gleichen Stand erreichen, in der Schule von der gleichen Stelle loslaufen und mit ihren Talenten das machen, was möglich ist. Es ist nicht nachvollziehbar, dass für die Ausbildung in der Kita Geld verlangt wird und an der Uni dann nicht. Eigentlich müsste es anders herum sein, wobei ich mich jetzt nicht für Studiengebühren ausspreche.
Preuß: Wir haben das beitragsfreie dritte Jahr. Wenn wir mehr Geld in die Verbesserung des Systems stecken könnten, würde ich auf die Beitragsfreiheit verzichten. Wenn man sich die Bildungspyramide unter dem Aspekt Geld ansieht, stellt man fest, bei Kleinen wird wenig Geld ausgegeben, bei Großen viel. Die Pyramide steht falsch herum.
Wie stellen Sie sich eine gute Grundschule vor?
Preuß: Wir haben nur Einfluss auf den offenen Ganztag. Stichwort Bildungsgerechtigkeit. Wir haben viel getan, um OGGs quantitativ zu entwickeln. Jetzt wollen wir sie qualitativ entwickeln. Es gibt sehr gute und weniger gute. Das anzugleichen ist unsere Aufgabe.
Lücking: Ganztagsbetreuung darf nicht Ganztagsverwahrung sein. An manchen Schulen ist es so, dass beim OGG Ein-Euro-Kräfte widerwillig Dienst tun. Da ist es besser, wenn pädagogisch ausgebildete Menschen mit viel Freude den Kindern in ihrer Freizeit Dinge beibringen.
Wo soll das Geld für ein hochwertiges Angebot herkommen?
Lücking: Das muss nicht viel Geld kosten. Ich war Vorsitzender eines Sportvereins. Übungsleiterentschädigung muss nicht so hoch sein. Die Menschen machen das, weil sie es gerne tun. Ich möchte nicht, dass der OGG überall gleich aussieht. Es könnte ja meine Entscheidung beeinflussen, welche Schule ich wähle. Wettbewerb ist vernünftig.
Preuß: Wir sind auf dem guten Weg, dass Jugend –und Freizeithäuser mit den Schulen kooperieren. Sportvereine, Musikschule, da sind Menschen aktiv, die es nicht aus Jux und Dollerei machen.
Im Wahlprogramm der Freien Bürger steht: kurze Beine, kurze Wege. Aber Schulen müssen geschlossen werden. Wie geht das übereinander?
Lücking: Es muss dann gegebenenfalls auch zu Schulneubauten führen. Es kann nicht sein, dass in einem Stadtteil in der Mitte eine Schule geschlossen wird und es gibt dann nur noch eine an jedem Ende. Jeder Schüler muss zu Fuß die Schulen erreichen können. Schulneubauten sind auch nicht zwingend teurer als Schulen zu erhalten.
Preuß: Es sind 33,8 Mio Euro für Sanierung von Schulen ausgegeben worden. Die Haushaltssituation der Stadt macht es unmöglich alles zu sanieren. Ich finde es wichtig, dass Grundschulen in Stadtteilen für die Kinder gut zu erreichen sind.
War der Wegfall der Schuleinzugsgebiete sinnvoll?
Lücking: Brennpunktschulen dürfen nicht entstehen. Ich finde es aber gut, wenn sich jede Schule anstrengt und ein Profil entwickelt, so dass es keine Schule mehr geben sollte, die so schlecht ist, dass ich meine Kinder da nicht hinschicke.
Preuß: Ich fand die Schuleinzugsgebiete gut. Sie haben dafür gesorgt, dass man eben nicht Eliteschulen an einem Punkt der Stadt hat. Ich halte Schultourismus für nicht gut.
Hat die Hauptschule Zukunft?
Lücking: Ich fordere nicht, dass Hauptschulen abgeschafft werden. Wenn eine Hauptschule nicht nachgefragt wird, können wir als Stadt dafür aber nicht weiter Räume zur Verfügung stellen. Ich halte es aber für sinnvoll ein Angebot vorzuhalten. Wenn es sich abzeichnet, dass niemand mehr die Hauptschule will, muss man sie nicht mehr anbieten. Für mich ist der Zeitpunkt aber noch nicht gekommen.
Preuß: Ich glaube, dass die Hauptschulen sich überholt haben. Deshalb werden wir in der nächsten Wahlperiode in die Schulentwicklungsplanung für die Sekundarstufe 1einsteigen müssen. Da muss man ganz genau hingucken, was man mit den Hauptschulen macht. Es macht keinen Sinn, sie einfach zuzumachen und funktionierende Systeme zu zerschlagen. Besser wäre es, die Schulen in Sekundarschulen umzuwandeln. Das wäre dann eine Gesamtschule bis zur zehnten Klasse, um die Strukturen zu erhalten.
Muss die Kommune den Schulen bei der Vorbereitung der Schulabgänger auf das Studium Vorgaben machen?
Lücking: Schulen machen zur Berufsorientierung eigene Veranstaltungen.Es gibt Schulpraktika. Das ist aber von Schule zu Schule unterschiedlich. Es gibt ja Standards bei den Praktika. Es ist fraglich, wie die Schule das dann macht. Vorgaben der Kommunen sollte es nicht geben.
Preuß: Es gibt ja Vorgaben vom Land. Das beginnt in der 7. Klasse. Das Übergangssystem ist bindend auch für Gymnasien. Den Bruch haben wir nicht nur von weiterführender Schule zur Uni, sondern auch von der Grundschule zur weiterführenden Schule.
Wie gut ist die Förderung und Forderung älterer Menschen in der Stadt?
Preuß: Da sind wir mit der VHS gut aufgestellt. Das ist auch Aufgabe der VHS, da Angebote vorzuhalten. Das wird auch immer notwendiger. Die Anforderungen der Berufswelt verändern sich, man ist gezwungen dazu zu lernen.
Lücking: Das breit gefächerte Angebot der VHS ist gut. Aber es gibt ja nicht nur die VHS. Es gibt auch private Anbieter, freie Träger, die entsprechende Angebote machen.
Sehen sie die Hochschulen in Bochum als die große Chance für die Stadt?
Lücking: Das ist vielleicht nicht die große Chance, aber es ist durchaus ein Pfund mit dem man wuchern sollte. Univercity ist eine gute Werbemaßnahme für die Stadt. Man kann mit acht Hochschulen werben. Das hat nicht jede andere Stadt im Ruhrgebiet.
Preuß: Mit knapp 60 000 Studenten sind die Hochschulen für Bochum ein Pfund. Das ist in der Stadtpolitik lange vernachlässigt worden. Das Problem ist, dass Bochum als Hochschulstandort außerhalb des Ruhrgebiets nicht so wahrgenommen wird. Da müssen wir dran arbeiten.
Das Interview führten die Leserbeiräte Philipp Rentsch und Jürgen Drebes.