Bochum. . Das Fleischer-Büromöbelwerk wickelt momentan den größten Auftrag seiner Firmengeschichte ab. Es liefert die Ausstattung von 1800 Arbeitsplätzen für VW in Wolfsburg. Das Familienunternehmen behauptet sich erfolgreich auf einem extrem umkämpften Markt.

Die Bestätigung kam einen Tag vor Weihnachten. Volkswagen ordert beim Fleischer Büromöbelwerk die Ausstattung für 1800 Arbeitsplätze. Ein riesiger Auftrag. Der größte in der 56-jährigen Firmengeschichte. „Da haben wir eine Flasche Sekt aufgemacht“, erinnert sich Junior-Chefin Christina Oelrich. Und wenn in einigen Wochen der letzte von 250 Lastzüge, die momentan von Wattenscheid nach Wolfsburg rollen, wohlbehalten in der Autostadt angekommen und der letzte höhenverstellbare Sitz-/Steh-Schreibtisch geliefert ist, dann machen sie bei den Fleischers womöglich noch eine weitere Flasche auf. Auf die gelungene Abwicklung.

Die hat dem Familienunternehmen in den vergangenen Wochen schon einiges abverlangt und wieder mal genau eine derjenigen Stärken zu Tage gebracht, die für Mittelständler – gerade für inhabergeführte – typisch ist. Ein Höchstmaß an Flexibilität. Das fängt bei Überstunden und Samstagarbeit an, die sonst nicht üblich ist. Und endet bei der Zwischenlagerung fertiggestellter Waren in der leerstehenden Halle einer dort ausgezogenen Firma.

Findigkeit muss gegeben sein

Findig muss sein, wer als eher kleines Unternehmen in einem so umkämpften, wankelmütigen Markt bestehen will, der zudem mit Überkapazitäten kämpft. Diese Findigkeit gilt vor allem für das Produktangebot. Und da hat der frühere Komponentenlieferant Fleischer, der eher spät als Hersteller eigener Serien auf den Markt getreten ist, ein As im Ärmel: den höhenverstellbaren Tisch.

Allmählich hält der – nicht zuletzt aus arbeitsmedizinischen Gründen – als Steh-/Sitz-Schreibtisch Einzug in die deutschen Büros. „Endlich“, sagt Christina Oelrich. „Wir sagen seit 20 Jahren nichts anderes, als dass man zwischen Stehen und Sitzen wechseln muss.“ Schreiben, telefonieren, sich austauschen – all das funktioniere am Stehtisch genauso wie am klassischen Schreibtisch.

Höhenverstellbare Tische

Mein Job

Er kennt den Betrieb in- und auswendig. Kunststück. Seit mittlerweile 26 Jahren arbeitet Wolfgang Fieber bereits im Fleischer Büromöbelwerk. Damals kam der Diplom-Ingenieur der Fertigungstechnik von einem Armaturenhersteller. „Ich war noch jung und wollte mal wechseln“, erinnert er sich an die Zeit Ende der 1980er Jahre. An seiner Arbeit als Betriebsleiter schätzt der mittlerweile 62-Jährige vor allem die Vielfältigkeit der Aufgaben: „Arbeitsvorbereitung, Disposition, Personalführung und vieles mehr. Kein Tag ist hier wie der andere“, sagt der Mann, der auch nach so langer Zeit den weiten Weg von Hagen-Letmathe zur Arbeit nach Wattenscheid immer noch mit Lust antritt. Dabei schätzt er auch die buchstäblich kurzen Wege im Unternehmen. Vieles lasse sich ohne Umschweife regeln. Und wie Fleischer tickt? Die Frage ist aus Sicht von Wolfgang Fieber ziemlich einfach zu beantworten: „Viele Mitarbeiter sind schon sehr lang hier, man kennt seine Stärken und Schwächen. Es ist wie eine große Familie.“

Am besten ist ein Tisch, der beides bietet. „Und der einfach zu bedienen ist.“ Bei den Fleischers kennen sie sich damit aus. „Unser Großvater hat mit höhenverstellbaren Couchtischen angefangen“, erklärt Katharina Fleischer. Damals habe in den kleinen Wohnungen die Flexibilität von Möbeln ein große Rolle spielt. Heute ist sie im Büro von Bedeutung. VW hat 1800 höhenverstellbare Tische geordert. Mit Motor ausgestattet, die 1a-Variante.

Wobei der Hersteller auch eine günstigere Alternative mit einem Patent aus dem eigenen Haus anbietet: der höhenverstellbare Tisch, dessen Gasdruckfeder durch eine Bremse entlastet wird. „Das ist sicherer und schont die Feder“, sagt Christina Oelrich und erklärt beim Gang durch die Produktionshalle den Aufbau der Bremse. Dutzende liegen dort bereit zur Weiterverarbeitung. Alle Stahlelemente an seinen Möbeln stellt Fleischer selbst her.

Möbel werden auch zugekauft

Alles fertigen sie aber nicht am Wilhelm-Leithe-Weg. Die Korpusmöbel – Tische, Schränke, Rollcontainer – werden dort produziert. Das macht 60 Prozent des Umsatzes aus. Der Rest wird zugekauft, Stühle ebenso wie Holzelemente. Die werden von zwei Großschreinereien geliefert, die nach Plänen von Fleischer produzieren. Kennzeichen der Formsprache sind klare Linien und skandinavisch anmutende Zurückhaltung und Modernität.

Tisch und Stuhl steht zwar in jedem Büro. „Aber wir sehen oft, dass Unternehmen 20, 30 Jahre nicht in ihre Ausstattung investiert haben.“ Das schafft Möglichkeiten und Ziele. Solides Wachstum haben sie sich auf die Fahnen geschrieben – und auf absehbare Zeit einen Jahresumsatz von 15 Millionen Euro. Momentan beläuft er sich auf 11,5 Millionen Euro. 95 Beschäftigte hat der Betrieb momentan.

Freitag ist Besentag in der Produktionshalle

Seniorchef Joachim Fleischer fehlt an diesem Freitagmorgen. Der 64-Jährige kümmert sich seit gut zwei Jahren um zwei Büromöbelwerke. Zusammen mit einer Investorengruppe rettete er 2012 das angeschlagene Traditionsunternehmen Ceka im hessischen Alsdorf. „Das war eine strategische Entscheidung“, erklären die Töchter Christina Oelrich und Katharina Fleischer. Mittelfristig könnten Fleischer und Ceka sich gut auf dem Markt ergänzen.

Nach Wattenscheid gekommen sind die Fleischers 1970. Angefangen hatte Gründer Willy Fleischer 1958 in Essen-Werden und das Unternehmen erst allein und später mit seinem Sohn entwickelt. Am Wilhelm-Leithe-Weg steht das Büromöbelwerk seit Anfang der 1990er Jahre.

Erinnerungen an die Kindheit

Ehernes Gesetz ist die Ordnung am Arbeitsplatz. Freitags kurz vor Ende der Schicht wird in jeder Abteilung der Besen geschwungen. „Unser Vater hat eine genaue Vorstellung davon, wie es in einer Produktionshalle aussehen sollte“, sagen die Töchter. Sie selbst sind buchstäblich in die Firma hineingewachsen. „Die war zu Hause immer ein Thema.“ Als Kinder hätten sie es geliebt, durch die Hallen zu streifen. „Damals haben wir auch gelernt, Gabelstapler zu fahren.“

Seit elf Jahren ist Juniorchefin Christina Oelrich (39) nach Banklehre und BWL-Studium in der Firma. 2009 kam ihr Mann Nicolas Oelrich als Vertriebs-Chef sowie ihre Schwester Katharina Fleischer (35) als Marketing-Expertin dazu. So viel ist sicher: Das Werk bleibt in der Familie.