Bochum. Eine 81-Jährige erlitt beim Einsteigen in eine Straßenbahn schwere Verletzungen. Die Tür habe sich plötzlich geschlossen, schildert die Rentnerin. Sie kämpfte in einem Gerichtsprozess um Schmerzensgeld. Die Bogestra wies jegliche Schuld zurück. Das Amtsgericht gab dem Nahverkehrsunternehmen Recht.

Es passierte beim Einsteigen in die Straßenbahn. Prellungen am Kopf, Blutergüsse, Abschürfungen: „Meine Schwägerin hatte Glück im Unglück. Es hätte weitaus schlimmer kommen können“, sagt Herbert Gausling. Gleichwohl kämpft der 74-Jährige um ein angemessenes Schmerzensgeld: für einen Sturz, für den die Bogestra laut Gericht keinerlei Verantwortung trägt.

Am 29. November 2012 will die damals 81-jährige Schwägerin (die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen will) an der Haltestelle Höntrop in die Linie 310 einsteigen. Sie benutzt die mittlere Tür der Straßenbahn. „In der Vorwärtsbewegung nach oben schlossen plötzlich die Türen“, schildert Gausling. „Durch den Stoß gegen die Hände wurde meine Schwägerin rückwärts auf den Gehweg geschleudert.“ Mit einem Krankenwagen wird sie ins Bergmannsheil gebracht. Acht Wochen kann sie wegen der Verletzungen kaum laufen.

Unfall sei selbstverschuldet

Herbert Gausling ist zuversichtlich. Die Sachlage sei „so eindeutig“, dass sich die Bogestra entschuldigen und zumindest einen Großteil der geforderten 1742 Euro Schmerzensgeld bezahlen werde. Der Kaufmann im Ruhestand irrt. Eine Entschuldigung „ist bis heute ausgeblieben“. Jegliches Schmerzensgeld wird abgelehnt: Es gebe keinen technischen Fehler, der Unfall sei selbst verschuldet.

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Die Türen der Busse und Bahnen öffnen sich auf Knopfdruck. Steigt ein Fahrgast ein, aktiviert er eine Lichtschranke. Die Technik soll verhindern, dass sich die Türen vorzeitig schließen.

Der Sicherheitsmechanismus wird laut Bogestra alle 10.000 Kilometer kontrolliert – zusätzlich zur gesetzlich vorgeschriebenen jährlichen Überprüfung.

Parallelen zu einem Unfall im Januar in Duisburg, bei dem eine 18-Jährige in einer Straßenbahntür eingeklemmt wurde, lässt die Bogestra nicht zu: „In Duisburg gibt es ganz andere Fahrzeuge.“

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Gausling nimmt sich einen Anwalt und verklagt die Bogestra. Über ein Jahr vergeht. Am 12. März kommt es zur Güteverhandlung. Wieder muss die Wattenscheider Familie ein Niederlage einstecken. Das Amtsgericht weist die Klage ab und der Seniorin die Verantwortung für den Sturz zu. „Als Ursache (...) kommt allein eigenes Fehlverhalten der Klägerin in Betracht“, heißt es in der Begründung. Die Aussagen einer Augenzeugin erscheinen dem Gericht unglaubwürdig. Ein beantragtes Sachverständigengutachten wird als „ungeeignet“ zurückgewiesen: Eine Fehlfunktion hätte nur direkt nach dem Unfall überprüft werden können.

„Vor Schreck hingefallen“

„Der Vorfall tut uns sehr leid. Aber wir können guten Gewissens sagen, dass es keinen Defekt an der Tür gegeben hat“, bekräftigt Bogestra-Sprecherin Sandra Bruns. Ihre Vermutung: „Die Seniorin hat gedrückt, ist dann aber nicht sofort eingestiegen. Als die Tür zuging, ist sie vor Schreck hingefallen.“

Eine Darstellung, die Herbert Gausling vehement zurückweist. Seine Forderungen: Die Lichtschranken-Technik müsse „im Sinne aller Fahrgäste“ erneuert werden:. „Es gibt offenbar einen toten Winkel.“ Und: Die Bogestra müsse auf seine Schwägerin zugehen. „Sie ist tief enttäuscht.“ Ihr Mann war 32 Jahre bei der Bogestra beschäftigt. Als Straßenbahnfahrer...