Bochum. An der Heinrich-Böll-Gesamtschule werden Kinder zu Musikern und Schüler mit besonderem Förderbedarf gehören zum Schulalltag. Seit einem Jahr ist Christiane Kampelmann dort Direktorin und schätzt den kulturellen Hintergrund der Schule .
Die Schuldirektorin der Heinrich-Böll-Gesamtschule Christiane Kampelmann (51) bezieht im Interview mit WAZ-Mitarbeiterin Nadja Juskowiak Stellung zu Inklusion und Sekundarschulen. Sie erläutert, warum Musik von unschätzbarem Wert ist und begrüßt den 60-Minuten-Takt.
Mit welchen Gefühlen und Ideen sind Sie Ihr neues Amt angetreten?Mit welchen Gefühlen und Ideen sind Sie Ihr neues Amt angetreten?
Christiane Kampelmann: Zu Beginn stand die Idee, dass es eine tolle Herausforderung ist, eine so große Gesamtschule zu leiten. Die Heinrich-Böll-Gesamtschule hat einen kulturellen Hintergrund, was auch meine persönlichen Interessen widerspiegelt. Meine Fächer sind Kunst, Deutsch und Englisch, warum ich natürlich auch den Schwerpunkt der Schule in „Englisch XL bilingual“ schätze. Ich habe mich riesig über das entgegengebrachte Vertrauen gefreut, als die Schulkonferenz mich einstimmig gewählt hat. Das ist nicht selbstverständlich.
Spielen im Orchester fördert Soft Skills
Die HBG zeichnet der Musikzweig aus. Seit zwanzig Jahren gibt es den in Bochum einmaligen Musik-Leistungskurs. Warum ist Musik in der schulischen Ausbildung so wichtig?
Kampelmann: Wenn Sie die Musiker fragen, werden die sagen, Musik an sich ist Grund genug. Als Schulleiterin und Lehrerin sehe ich weitere Pluspunkte: Schüler lernen, sich auf einer Bühne zu präsentieren. Dass Musik geistige Fähigkeiten fördert, das ist unumstritten. Dadurch, dass die Schüler in den Musikklassen und im Streich- und Bläserorchester spielen, fördert Musik die Teamfähigkeit. Schüler müssen ihre Lernfähigkeit sehr diszipliniert durchhalten, weil sie im Orchester funktionieren müssen. Das sind ,Soft Skills’, die im Beruf abgefragt werden: Pünktlichkeit, Disziplin und Teamfähigkeit.
Zahlen zur Heinrich-Böll-Gesamtschule
Im laufenden Schuljahr besuchen 1345 Schüler der Klassen fünf bis Q2 (13) die Schule. An der sechszügigen Ganztagsschule arbeiten 123 Lehrer.
Der Schulkomplex besteht aus drei Gebäuden an der Agnes-, Gretchen-, und Wielandstraße. Gegründet wurde die Gesamtschule 1982, seit 1988 trägt sie den Namen des Literaturnobelpreisträgers Heinrich Böll.
Einige Projekte an der HBG docken bewusst an den Universitätsbetrieb bzw. an das Arbeitsleben an. Ist der Bezug zwischen Schule und Beruf enger geworden?
Kampelmann: Seit 2006 trägt die HBG das Berufswahlsiegel. Das fängt bei den Schülern an, die wir in unserer BUS-Klasse (kurz für das NRW-Projekt: Betrieb und Schule; d. Red.) haben, die ganz gezielt auf eine Ausbildung auf dem ersten Arbeitsmarkt nach der neunten Klasse vorbereitet werden. Die HBG ist Startklar-Schule und nimmt jetzt teil an dem weiterführenden Berufswahlorientierungssystem der Landesregierung „Kein Abschluss ohne Anschluss“. Bereits in der Sekundarstufe I vermitteln wir Schülern Kenntnisse über die Universitäten hier in der Umgebung. Unsere Schüler des Schwerpunkts „Mathematik XL“ gehen zum Beispiel regelmäßig in das Alfried-Krupp-Schülerlabor an der Ruhr-Universität.
Welche Pläne werden Sie in nächster Zeit in Angriff nehmen?
Kampelmann: Inklusion ist natürlich ein wichtiges Thema. Weiter werden wir den Schulhof nach Schülerwünschen neu gestalten, Basketballkörbe waren ein großes Thema. Organisatorisch gesehen ist die Umstellung auf den 60-Minuten-Takt eine der aktuellen Baustellen. Ich bin sehr stolz darauf, dass die HBG die erste Gesamtschule in Bochum ist, die das Modell in den nächsten zwei Jahren einführt. Wir arbeiten nach dem Konzept des kooperativen Lernens. Das können wir dann besser umsetzen. Es lässt sich in 60 Minuten effektiver lernen als in 45 Minuten. Außerdem stehen die Brandschutzsanierungen des Gebäudes an der Agnesstraße an.
Sekundarschulen sind willkommene Partner
Die Sekundarschule etabliert sich als neue, offene Schulform. Wirkt sich das auf die Anmeldezahlen an der Gesamtschule aus?
Kampelmann: Ich begrüße es nachdrücklich, dass wir weitere Schulen haben, die Schülern ermöglichen, länger gemeinsam zu lernen. In diesem Zusammenhang möchte ich noch auf unsere Kooperationsschule, die Gemeinschaftsschule, hinweisen. Die Gemeinschaftsschule war eine Modellschule vor Einrichtung der Sekundarschulen. Der Trend der Anmeldungen geht allgemein dahin, dass Eltern sich nicht schon nach der vierten Klasse festlegen möchten. Wir müssen auf den Gesamtschulen seit Jahren Anmeldungen ablehnen. Darum sind wir froh, dass wir nun weitere Partner haben, die wir empfehlen können.
Sind offene Konzepte prädestiniert dafür, auch Kinder mit besonderem Förderbedarf zu unterrichten, Stichwort Inklusion?
Kampelmann: Im Grunde ist jede Schulform mit entsprechender personeller und technischer Unterstützung prädestiniert dafür, Schüler mit verschiedenen Förderschwerpunkten zu unterrichten. Das ist im 9. Schulrechtsänderungsgesetz so vorgesehen. Die Stadt Bochum hat demnach verschiedene Schulformen als Orte des gemeinsamen Lernens festgelegt. Die Heinrich-Böll-Gesamtschule hat sich schon vor meinem Antritt intensiv mit dem Thema beschäftigt, sodass wir in diesem Schuljahr vier Schüler mit dem Förderbedarf „Lernen“ in einer integrativen Lerngruppe und drei Schüler mit dem Förderbedarf „Hören und Kommunikation“ unterrichten.