Bochum. Noch drei Jahre haben ihm die Ärzte gegeben. Drei Jahre, die Johann Schweitzer „nutzen will, um etwas für die Schwerkranken zu tun, die sich nicht mehr wehren können“. Morgen steht der 53-Jährige vor dem Sozialgericht. Er hat seine Krankenkasse verklagt. Streitwert: 64,55 Euro.

Vor zwei Jahren ereilte den Sozialtherapeuten aus Langendreer die Schockdiagnose: Dickdarmkrebs mit Metastasenbildung in der Leber. Im Knappschaftskrankenhaus begann eine Chemotherapie. Krämpfe, Erbrechen: „Die Nebenwirkungen waren massiv. Doch ich wollte mich nicht mit Schmerzmitteln ,abschießen’“, schildert der Ehemann und dreifache Vater.

Sein Hausarzt Dr. Rüdiger Haen-tjes verschrieb eine Misteltherapie. Der Naturheilkundler ist überzeugt: Die Inhaltsstoffe des Sandelholzgewächses stabilisieren gerade während einer kräftezehrenden Chemotherapie das Immunsystem des Krebspatienten, fördern so den Heilungsverlauf. „Ich verordne die Misteltherapie häufig. Als Ergänzungstherapie halte ich sie nicht für zwingend notwendig, aber für medizinisch sehr sinnvoll“, sagt Dr. Haentjes im WAZ-Gespräch.

Krankenkasse will nicht zahlen

Mit einem Privatrezept kaufte Johann Schweitzer 2012 in der Apotheke für 64,55 Euro zehn Ampullen der Mistel-Tinktur. Jeden zweiten Tag setzte er sich eine Spritze in den Oberarm. Schweitzer: „Es ging mir schnell besser. Die Schmerzen wurden deutlich gelindert.“

Erstattung ist Ermessensfrage

„Ein Nutzen einer Misteltherapie ist nirgendwo erwiesen – allerdings auch kein Schaden“, erklärt Prof. Dr. Wolff Schmiegel, Direktor der Medizinischen Universitätsklinik am Knappschaftskrankenhaus Langendreer.

Für die Kassen sei es eine „reine Ermessensfrage“, die Kosten zu erstatten oder nicht.

Schmiegels Meinung: „Glaube versetzt bekanntlich Berge. Und das kann mitunter auch helfen.“

Seine erste Misteltherapie blieb für den Frührentner die letzte: Seine Krankenkasse verweigert die Kostenübernahme. Weil die Verordnung nicht auf Kassenrezept erfolgte, „stellt der Arzt klar, dass die medizinischen Voraussetzungen im Rahmen der Arzneimittel-Richtlinien nicht vorliegen und eine Kostenübernahme durch die gesetzliche Krankenversicherung nicht möglich ist“, teilte die Betriebskrankenkasse VDN (Schwerte) sowohl in einem ersten Bescheid als auch im Widerspruchsverfahren mit.

„Es geht ums Prinzip“

Johann Schweitzer indes verweist auf ein Urteil des Bundessozialgerichts 2011. Danach kann eine Misteltherapie bei einer palliativen Chemotherapie und bösartigen Tumoren erstattet werden. „Beides ist bei mir der Fall.“

Der 53-Jährige hat das Sozialgericht angerufen. Ohne Anwalt. Als Einzelkämpfer. „Es geht mir nicht um die 64 Euro. Es geht ums Prinzip und um die Frage, ob Krebspatienten nach mir von der Therapie profitieren dürfen.“ Donnerstag, 10.30 Uhr, Arbeitsgericht, Saal 20, Schweitzer ./. BKK. Erörterungstermin. Erste Instanz. Schweitzer will bei einer Niederlage weiterkämpfen. Drei Jahre hat er noch.