Bochum. . „Wir hatten unser Gebet soeben beendet, als in der Ferne das Schießen der Flak zu vernehmen war. Schnell kam das Gebrumm der Flieger näher. Wir begaben uns mit den Kindern in den Luftschutzkeller und beteten.“
Petra Funke weiß nicht, wer der Chronist war, der das Grauen jener Kriegsnacht auf drei Schreibmaschinenseiten dokumentierte. Das namenlose Stück Zeitgeschichte, das sie im Archiv fand, erzählt gleichwohl mit erschreckender Präzision von den schlimmsten Stunden in der 126-jährigen Geschichte von St. Vinzenz: der Bombardierung des Kinderheims am 26. Juni 1943. 65 Kinder kamen ums Leben. Nächsten Mittwoch wird am Imbuschplatz der 70. Jahrestag begangen.
„Türen und Fenster schlugen in einem fort. Dann ein gewaltiger Schlag. Totenstill und alles dunkel. Die Kinder schrien um Hilfe. Wir riefen Stoßgebete. Unsere Todesangst wurde immer größer.“
Den Ordensschwestern war die Gefahr sehr bewusst. „Die Bochumer Eisenhütte war nahe. Man musste befürchten, dass eine Bombe der Alliierten auch das Kinderheim treffen könnte“, schildert Einrichtungsleiterin Petra Funke. 150 Jungen und Mädchen wurden vorsorglich ins Sauerland evakuiert. 100 Kinder saßen an jenem 26. Juni auf gepackten Koffern. „Ein, zwei Tage später sollten auch sie aus Bochum weggebracht werden“, berichtet Jugendamtsleiter Dolf Mehring, der sich intensiv auf Spurensuche begeben hat. Auch aus privatem Antrieb: „Meine Oma Johanna wohnte am Imbuschplatz, der damals ,Platz der SA’ hieß, und hat als Bücherei-Aushilfe im Kinderheim gearbeitet. Noch meine Mutter erzählte mir später oft von dem Bombenhagel: einem der ersten Großangriffe auf Bochum.“
Schwester rief um Hilfe für 100 verschüttete Kinder
„Eine Schwester lief über den Platz und rief um Hilfe, da noch 100 Kinder verschüttet seien. Es gelang, vier Knaben aus dem Schutt herauszuziehen. Es musste vorsichtig gearbeitet werden, da alles drohte einzustürzen.“
104 Menschen wurden im Keller des Kinderheims verschüttet. 65 Jungen und Mädchen starben in den Trümmern. Von Dieter Thomas bis Willi Budda: Ihre Namen und die der acht getöteten Schwestern und Mitarbeiter prangen auf einem Mosaik, das beim Neubau des Kinderheimes 1957 zur Erinnerung und Mahnung erstellt wurde.
„Nachdem es hell geworden war, kamen Angehörige der Kinder. Wie schwer war es, wenn man sagen musste, dass der Kleine oder auch mehrere Kinder der Familie bei den Toten waren.“