Bochum. 200 Leserinnen und Leser erfuhren beim WAZ-Nachtforum Medizin,wie alltagstauglich künstliche Gelenke für das Knie und die Hüfte sind. Die Tendenz, diese Operationen durchführen zu lassen, ist steigend.
Der Boxer holte zum Tiefschlag aus. Nach zwei Stunden, klagte er dem Operateur sein Leid, tue ihm immer das Knie weh. Dr. Lukas Niggemann steckte die Attacke locker weg. „Der Mann steigt vier- bis fünfmal pro Woche in den Ring. Mit einer Knieprothese! Da sind die Erwartungen ans Implantat wohl etwas zu hoch...“
Nein: Künstliche Gelenke sind nicht für den Hochleistungssport geeignet. Alltagstauglich und in der Regel komplikationslos sind sie aber allemal, erfuhren 200 Leserinnen und Leser beim WAZ-Nachtforum Medizin, das im Knappschaftskrankenhaus Langendreer über Hüft- und Knieendoprothesen informierte.
Arthrose ist zur Volkskrankheit geworden
Die Deutschen werden immer älter und dicker - und die Orthopäden und Chirurgen haben sehr viel zu tun. Übergewichtige haben ein 18-fach erhöhtes Risiko, Schaden an den Gelenken zu nehmen. Arthrose hat sich ab 60 zur Volkskrankheit entwickelt. 200 000 verschlissene Hüftgelenke und 150 000 Kniegelenke werden jährlich durch Prothesen ersetzt: Spitze in Europa; Tendenz steigend.
„Das ist wegen des zunehmenden Anteils älterer Menschen an der Gesamtbevölkerung aber normal“, wehrt sich Klinikdirektor Prof. Dr. Rüdiger Smektala gegen Vorwürfe, in Deutschland werde zu früh und zu häufig operiert. Vergleiche etwa mit den Niederlanden zeigten, dass die Eingriffe eher zu selten vorgenommen werden. Und: „Hierzulande wird auch noch sehr alten Menschen eine Prothese eingesetzt, um ihnen zu neuer Lebensqualität zu verhelfen. Zum Glück kann sich unser Gesundheitssystem das leisten“, ergänzt Oberärztin Stephanie Verhoeven.
Drei bis sechs Monate nach der OP ist man zurück im Alltag
Ziel jeder OP ist es, beim kleinstmöglichen Eingriff die kleinstmögliche Prothese zu verwenden. Groß sind die Erfolgsaussichten. Zwar sind die ersten Tage an Krücken schwierig. Es gilt nicht nur, sich an das künstliche Gelenk zu gewöhnen, sondern auch komplette Muskelgruppen neu zu entdecken. Nach drei bis sechs Monaten jedoch ist man zurück im Alltag. Die Bewegungsfreiheit kehrt zurück.
WAZ-Nachtforum Medizin
Sowohl bei den Hüft- als auch Knieprothesen hat sich technisch viel getan. Hielten sie früher fünf bis zehn Jahre, ist ein Austausch jetzt in der Regel nach 15 Jahren (das entspricht 15 Millionen Schritten), mitunter erst nach 20 oder 25 Jahren erforderlich. Sport? Gerne! Schwimmen, Gymnastik, Nordic Walking oder Radfahren sind ebenso erlaubt wie erwünscht. Fußball, Squash oder Tennis sind allerdings problematisch, weil sie das Gelenk zu sehr beanspruchen.
Boxen auch. Das gilt vor allem für den Hobby-Faustkämpfer in der Sprechstunde von Dr. Niggemann. Der ärztliche Rat: Raus aus dem Ring, rauf aufs Rad.