Bochum. In der Rottstraße 5 inszeniert Oliver Paolo Thomas den berühmten Dandy gegen den StrichBochum. In der Rottstraße 5 inszeniert Oliver Paolo Thomas den berühmten Dandy gegen den Strich
Oscar Wildes Titelheld „Dorian Gray“ ist längst eine Figur der populären Kultur. Verfilmt, vertont, viel zitiert. Nicht umsonst nannte sich eine der berühmtesten Discos Deutschlands, ein Frankfurter Tempel des Hedonismus, einst nach dem Jung-Snob, dessen Bildnis für ihn altert, und der so ewiger Jugend anheimfällt. Oliver Paolo Thomas vom Rottstraße 5-Theater hat für seine „Dorian Gray“-Deutung allerdings eine rockigere Deutung im Sinn. Die geht aber nur bedingt auf.
Sein Gray ist gegen den Strich besetzt. Manuel Rittich ist zu alt, trägt Dreitagebart, ist ein Machotyp. Männlicher Rock, nicht androgyner Pop. Überhaupt: das Über-Ästhetisierte, Verfeinerte, Prunkende in Wildes Vorlage kommt nicht auf die Bühne. Stattdessen gibt’s Rock-Theater mit den bewährten Rottstraße-Ingredienzien: laute Musik, Sex, Blut und Feuer. Pulp-Theater. Fabelhaft ist das „alternde“ Bild, gemalt von Frank Burkamp und Maike Prause. Damit ist die Rottstraße auf der Höhe ihrer Mittel, doch nicht auf der Höhe ihres Könnens.
Oscar Wilde war weiter
Denn die Entscheidung, Dorian zum Rockstar zu machen, der den Rausch, die Frauen, die Drogen so exzessiv auskostet, dass er alsbald in einer Gewaltspirale zum Mörder wird, dafür dann bezahlen muss, ist lahm und unzeitgemäß. Oscar Wilde war da schon weiter, als er seiner Figur eine latente Todessehnsucht einschrieb und deren Ästhetizismus auf einem Grat verortete zwischen perfekter Verfeinerung und dem Absturz in die Dekadenz.
Die Bilder, die Regisseur Thomas findet, sind eindringlich. Das Spektakel ist enorm. Schwarzlicht, Tanz, Nebel. Neben dem so untypisch besetzten und entsprechend unglücklich agierenden Rittich glänzt vor allem Alexander Ritter als dandyhafter, Bonmot-speiender Henry Wotton und die junge, begabte Ana Purwa als Sybil, die vor allem viele Zeilen Shakespeare sprechen darf. Aber auch sie kann diesen „Dorian Gray“ nicht retten vor dem Sturz dahin, wovor er sich am meisten fürchten dürfte: in die Mittelmäßigkeit.