Bochum. Im Interview mit Leserbeirätin Dr. Anke Niegel-Deichen plädiertProf. Dr. Jürgen Barmeyer (77), der jahrelang Chefarzt der Kardiologe und Angiologie im Bochumer Bergmannsheil war, für eine Reduzierung des Numerus Clausus. Denn es gebe einen Mangel an Ärzten.
23 Jahre leitete Prof. Dr. Jürgen Barmeyer (77) die Kardiologie und Angiologie (Gefäßerkrankungen) im Bergmannsheil. Schon in seiner Jugend wollte er Arzt werden, sagte er im Gespräch mit WAZ-Leserbeirätin Dr. Anke Niegel-Deichen.
Warum sind Sie Arzt geworden?
Barmeyer: Es war nie eine Frage, ob ich etwas anderes machen wollte. Ich war in der Schule ein Durchschnittsschüler. Die meisten Mitschüler sind Lehrer geworden, ich Arzt. Es war eine Glücksentscheidung.
Leben Sie gern in Bochum?
Barmeyer: Ja, sehr gerne. Ich hatte das große Glück, dass ich von 1978 bis 2001 die Universitäts-Kardiologie und -Angiologie am Bergmannsheil mit aufbauen konnte. Wir haben in Bochum einen großen Freundeskreis und würden nie wegziehen.
Das Gesundheitswesen hat in Bochum einen sehr guten Ruf.
Barmeyer: Wir haben hervorragende Chirurgen, Internisten, Neurologen, Orthopäden und andere. Zu meiner Zeit am Bergmannsheil kamen Patienten auch von weither.
Raten Sie zum Medizinstudium?
Barmeyer: Uneingeschränkt, weil ich glaube, dass es ein wunderbarer Beruf ist. Aber es gibt Schwierigkeiten, einen der 8600 Studienplätze in Deutschland zu bekommen. Demgegenüber stehen bedingt durch den doppelten Abitur-Jahrgang über 25.000 Bewerbungen. Hinzu kommt: 15 % brechen ihr Studium ab. Und wir verlieren rund 3000 Ärzte jährlich ins Ausland. Der Mangel an Ärzten wird immer intensiver. Das können wir nur durch ausländische Ärzte einigermaßen kompensieren. Ein weiteres Problem für die Versorgung der Bevölkerung ist der zunehmend hohe Frauenanteil der Medizin-Studenten, da Frauen naturgemäß nicht immer in Vollzeit arbeiten können.
Was schlagen Sie vor?
Barmeyer: Ich plädiere dafür, den Numerus Clausus von 1,0 hochgradig zu reduzieren und dafür wieder Interviews der Universitäten mit den Bewerbern einzuführen. 1,0 ist nicht das einzige Kriterium, ob jemand ein guter Arzt wird. Zudem sollte das „Bochumer Modell“, das die Ausbildung der Studierenden auch in „normalen“ Kliniken ermöglichte, in andere Bundesländer transferiert werden. Damit könnten Studienplätze vermehrt werden.
Wird das Thema Ethik in der Medizin im Studium genug behandelt?
Barmeyer: Nein. Das Medizinstudium wird immer noch rein naturwissenschaftlich geführt. Der Beruf des Arztes ist zunehmend zu dem eines Medizin-Technikers geworden. Die Zuwendung zum Patienten kommt nicht mehr hinreichend rüber. Nicht, weil die Ärzte so schlecht seien, sondern weil sie zu wenig Zeit haben. Ich bin kein Technik-Feind. Der technische Fortschritt hat enorme Verbesserungen gebracht. Ein Beispiel: Beim Herzinfarkt gab es Anfang der 70er Jahre eine Sterblichkeit in der Klinik von rund 30 Prozent, heute sind es zwei bis drei Prozent.
Haben Sie Vorbilder gehabt?
Barmeyer: Ich habe meinen Vater für seine Disziplin bewundert. Er hat sich mühsam nach oben gearbeitet, bis zum kaufmännischen Chef einer Ölbohrfirma. Ein weiteres Vorbild ist mein geistiger Mentor, mein früherer Chef Prof. Herbert Reindell, von dem ich viel über Menschenführung gelernt habe.
Welchen Traum haben Sie?
Barmeyer: Das Wichtigste ist, dass unsere vier Söhne – drei Ärzte, ein Betriebswirt – ihre Lebensstellung finden; sie kämpfen noch. Und dass sie zufrieden sind wie ich es bin. Ich habe Glück gehabt. Und mein größtes Glück ist die da (Anm. d. Red.: Er zeigt auf seine Ehefrau).